Entscheidungsstichwort (Thema)
Unvertretbar milde Bestrafung wegen Beleidigung
Leitsatz (amtlich)
Eine Geldstrafe in Höhe von nur 30 Tagessätzen löst sich auch bei einer Verurteilung wegen Beleidigung dann nach unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, wenn der Angeklagte bereits vielfach und gewichtig vorbestraft ist und die Tat während einer Inhaftierung begangen hat. In einem solchen Fall liegt wegen besonderer in der Persönlichkeit des Täters liegender Umstände vielmehr die Notwendigkeit der Verhängung einer (kurzen) Freiheitsstrafe i.S.d. § 47 I StGB nahe.
Normenkette
GG Art. 5 Abs. 1; StGB § 47 Abs. 1, §§ 185, 193
Tatbestand
Das AG verurteilte den Angekl. wegen Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten. Auf seine hiergegen eingelegte Berufung änderte das LG das erstinstanzliche Urteil dahin ab, dass es den Angekl. zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilte. Nach den Feststellungen und Wertungen des LG richtete der vielfach (auch) zu langjährigen Freiheitsstrafen vorbestrafte Angekl., nachdem er aufgrund eines Haftbefehls zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe festgenommen und inhaftiert worden war, an die zuständige Vollstreckungsrechtspflegerin der StA ein Schreiben, in welchem er sich über seine Festnahme und Inhaftierung mokierte. Das Schreiben schloss mit den Worten: "Im Übrigen wollte ich noch mitteilen, dass bei uns im Moment die DUSCHLampe kaputt ist, aber ich gehe von einer baldigen Reparatur aus...". Das LG hat die Äußerung des Angekl. dahingehend gewertet, dass er die Rechtspflegerin als "Du Schlampe" titulieren wollte. Gegen das Berufungsurteil wenden sich der Angekl. und die StA mit ihrer jeweils mit der Verletzung sachlichen Rechts begründeten Revision, letztere beschränkt auf den Rechtsfolgenausspruch. Während das Rechtsmittel des Angekl. ohne Erfolg blieb, führte die Revision der StA zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung an eine andere Strafkammer des LG.
Entscheidungsgründe
I. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision des Angekl. hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angekl. ergeben. Der rechtsfehlerfrei getroffene Schuldspruch wird von den tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil getragen. Der Angekl. kann sich auch nicht darauf berufen, dass seine Tat in Ausübung der Meinungsfreiheit (Art. 5 I GG) gerechtfertigt sei. Bei der inkriminierten Äußerung handelt es sich um eine reine Schmähung in Form einer Formalbeleidigung, bei der die Meinungsfreiheit von vornherein zurückzutreten hat (vgl. nur BVerfGE 99, 185 = NJW 1999, 1322 m.w.N.). Auch der Rechtsfolgenausspruch weist keinen den Angekl. beschwerenden Rechtsfehler auf.
II. Dagegen ist die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der StA auf die Sachrüge hin begründet. Die Festsetzung der Strafe weist durchgreifende Rechtsfehler auf.
1. Die Strafzumessung ist zwar grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Nur in diesem Rahmen kann eine "Verletzung des Gesetzes" i.S.d. § 337 StPO vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (vgl. grundlegend BGHSt 34, 345 = NJW 1987, 3014 = wistra 1987, 287 = StV 1987, 337).
2. Auch unter Berücksichtigung der aus den genannten Gründen nur eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung kann der Strafausspruch keinen Bestand haben.
a) Zum einen zieht die Berufungskammer bei der Strafzumessung zugunsten des Angekl. Umstände heran, denen keine für die Schuld des Angekl. maßgebliche Bedeutung zukommt.
aa) So ist es bereits rechtsfehlerhaft, soweit das LG zugunsten des Angekl. berücksichtigt, dass er sich bei der Verletzten mit Schreiben vom 23.08.2012 entschuldigt habe. Zwar kann eine Entschuldigung beim Tatopfer durchaus für die Strafzumessung von Bedeutung sein. Im vorliegenden Fall war es nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil jedoch so, dass der Angekl. mit weiterem Schreiben vom 06.10.2012 gegenüber der Verletzten geäußert hat, dass "sich sein Entschuldigungsschreiben lediglich auf das 'Sehr geehrte' bezogen" habe. Damit hat der Angekl. seine ursprüngliche Entschuldigung nicht nur vollends zurückgenommen, was das LG zu Unrecht als bloße "Relativierung" einstuft, sondern obendrein einen erneuten Angriff auf den Achtungsanspruch der Verletzten unternommen. Eine strafmildernde Bedeutung kann damit der ursprünglichen, vom ...