Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung auf Rechtsfolgenausspruch bei Fahren ohne Fahrerlaubnis
Leitsatz (amtlich)
1. Auf die Sachrüge überprüft das Revisionsgericht im Rahmen einer zulässigen Revision von Amts wegen, ob das Berufungsgericht zu Recht von einer wirksamen Berufungsbeschränkung (§ 318 StPO) ausgegangen ist. Denn die Wirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung ist eine Frage der Teilrechtskraft. Gerade bei Beschränkungen der Berufungen auf das Strafmaß umfasst diese Prüfung deshalb auch, ob der vom Amtsgericht festgestellt Sachverhalt in Hinsicht auf die Rechtsfolgen tragfähig ist oder sich als lückenhaft erweist (Festhaltung an OLG Bamberg, Beschluss vom 20.12.2012 - 3 Ss 136/12 = BA 50 [2013], 88 f.; Anschluss u.a. an OLG München, Beschluss vom 08.06.2012 - 4 StRR 97/12 = zfs 2012, 472 f. und OLG Koblenz, Urteil vom 18.03.2013 - 2 Ss 150/12).
2. Bei einer Verurteilung wegen (vorsätzlichen) Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG) setzt die Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch über Feststellungen zu Tatzeit und zum Führen des Tatfahrzeugs an einem bestimmten Ort wegen ihrer wesentlichen Bedeutung für den Schuldumfang und damit für den Rechtsfolgenausspruch weitere Feststellungen auch zur Motivation der Tat, den konkreten Verkehrsverhältnissen bei Tatbegehung, etwa zu möglichen Gefährdungen anderer Straßenverkehrsteilnehmer, und zum konkreten (privaten oder beruflichen) Anlass und gegebenenfalls weiteren Umständen der Tat, z.B. zu Art, Dauer und Länge der beabsichtigten oder tatsächlich absolvierten Fahrtstrecke jedenfalls dann voraus, wenn diese Feststellungen ohne weiteres möglich sind (Festhaltung an OLG Bamberg, Beschluss vom 20.12.2012 - 3 Ss 136/12 = BA 50 [2013], 88 f.).
Normenkette
StVG § 21; StPO § 318
Tatbestand
Das AG verurteilte den Angekl. am 07.11.2011 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in 2 Fällen zu einer nicht zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten. Auf die hiergegen seitens des Angekl. eingelegte Berufung, die er in der Berufungshauptverhandlung mit Zustimmung der StA auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte, hat das LG die Berufung mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass es die Vollstreckung der (beibehaltenen) Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt hat. Gegen dieses Urteil wendet sich die StA mit ihrer zuungunsten des Angekl. eingelegten Revision. Das Rechtsmittel erwies sich als begründet.
Entscheidungsgründe
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der statthaften und auch im Übrigen zulässigen Revision der StA (§§ 333, 341 I, 344, 345 I StPO) erweist sich auf die Sachrüge bereits deshalb als erfolgreich und zwingt den Senat zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, weil das LG - wie von der Revision zutreffend beanstandet - zu Unrecht die Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung des Angekl. auf den Rechtsfolgenausspruch angenommen und deswegen über den Verfahrensgegenstand nur unvollständig entschieden hat. Auf die weiteren mit der Revision vorgebrachten Rügen der Verletzung des materiellen und des formellen Rechts kommt es deshalb nicht mehr an.
1. Auf die Sachrüge überprüft das Revisionsgericht im Rahmen einer zulässigen Revision nicht nur, ob das materielle Recht rechtsfehlerfrei auf den Urteilssachverhalt angewendet worden ist, sondern darüber hinaus von Amts wegen auch, ob Prozessvoraussetzungen gegeben sind oder Prozesshindernisse entgegenstehen. Im Rahmen dieser Prüfung ist seitens des Revisionsgerichts von Amts wegen auch festzustellen, ob das Berufungsgericht zu Recht von einer wirksamen Berufungsbeschränkung nach § 318 StPO ausgegangen ist. Denn die Wirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung ist eine Frage der Teilrechtskraft. Gerade bei Beschränkungen der Berufungen auf das Strafmaß umfasst diese Prüfung deshalb auch, ob der vom AG festgestellt Sachverhalt in Hinsicht auf die Rechtsfolgen tragfähig ist oder sich als lückenhaft erweist (vgl. zuletzt z.B. OLG München, Beschluss vom 08.06.2012 - 4 StRR 97/12 = zfs 2012, 472 f. und OLG Koblenz, Urteil vom 18.03.2013 - 2 Ss 150/12).
a) Eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ist nur dann wirksam, wenn die Schuldfeststellungen eine hinreichende Grundlage für die Strafzumessung ergeben, was dann nicht der Fall ist, wenn die getroffenen Feststellungen den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht erkennen lassen und somit keine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Berufungsgerichts sein können (BGHSt 33, 59; OLG Düsseldorf NStZ 1992, 298, 299; BayObLGSt 1994, 98/100; OLG Koblenz NStZ-RR 2005, 178; OLG München zfs 2008, 532 ff. = DAR 2008, 533; OLG Hamburg, Beschluss vom 15.03.2012 - 2 - 70/11 und schon Senatsurteile vom 24.01.2012 - 3 Ss 126/11, vom 24.07.2012 - 3 Ss 62/12 sowie zuletzt eingehend Senatsbeschluss vom 20.12.2012 - 3 Ss 136/12 = BA 50 [2013], 88 f.; vgl. ergänzend auch OLG Bamberg, Urteile vom 05.03.2013 - 2 Ss 135/12 und vom 04.12.2012 - 2 Ss 101/12 = wistra 2013, 117 f. = NStZ-RR 2013, 109 [Ls]; OLG ...