Leitsatz (amtlich)
Ein steuerlicher Berater ist verpflichtet, bei seinem Mandanten die für die Abgabe einer steuerlichen Erklärung erforderlichen Unterlagen substantiiert anzufordern. Dies gilt insb., wenn ihm bekannt ist, dass die Finanzbehörde einen Schätzungsbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen hat. In einem solchen Fall hat der Steuerberater seinen Mandanten über den zu erwartenden weiteren Verfahrensablauf ebenso aufzuklären wie über den Eintritt einer etwaigen Bestandskraft des Schätzungsbescheides nach dem Wegfall des Vorbehalts des Widerrufs.
Der Auftraggeber hat den Nachweis zu erbringen, dass er dem beauftragten Steuerberater sämtliche steuerlich relevante Unterlagen und dem Auftraggeber persönlich zugegangene Bescheide der Finanzbehörde (hier Aufhebungsbescheid bezüglich des Vorbehalts der Nachprüfung) vorgelegt hat. Dies gilt auch, wenn der Steuerberater die Übergabe von Unterlagen des Mandanten nicht vermerkt und ebenso keinen Fristenkalender geführt hat.
Normenkette
BGB §§ 280, 675
Verfahrensgang
LG Coburg (Urteil vom 20.04.2005; Aktenzeichen 12 O 851/04) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Coburg vom 20.4.2005 abgeändert.
II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 67.783,32 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 2 % über dem Basiszinssatz seit 31.1.2004 zu zahlen.
III. Die weiter gehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
IV. Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Klägerin und der Beklagte jeweils die Hälfte.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die gegnerische Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
VI. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil des LG Coburg vom 20.4.2005.
Die Klägerin greift das landgerichtliche Urteil mit folgenden Erwägungen an:
Der Beklagte habe bei Übergabe der Schätzungsbescheide zugesichert, dass er sich "um alles kümmern werde". Somit sei von einer ausdrücklichen Vereinbarung auszugehen, wonach der Beklagte die Schätzungsbescheide über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag zu überprüfen und die weiteren notwendigen Maßnahmen von sich aus einzuleiten habe. Der diesbezügliche Sachvortrag der Klägerin sei durch den Beklagten nicht substantiiert bestritten worden.
Dem Beklagten hätten die steuerlich relevanten Buchhaltungsunterlagen für den Veranlagungszeitraum 1998 bereits vor Erlass des Schätzungsbescheides vorgelegen. Fehl gehe insoweit die Annahme des LG, dass der Aussage der Zeugin M. entnommen werden könne, dass für die streitgegenständlichen Veranlagungszeiträume Steuerbelege gefehlt hätten. Ebenso sei die Aussage des erstinstanzlich gehörten Zeugen D., der eine rechtzeitige Vorlage bestätigt habe, nicht zutreffend gewürdigt worden. Da somit der Beweis für die rechtzeitige Vorlage der Buchhaltungsunterlagen für den Veranlagungszeitraum 1998 erbrächt sei, trete für die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 eine Umkehr der Beweislast ein.
Ergänzend sei einem Schreiben des Beklagten vom 12.8.2002 zu entnehmen, dass die Klägerin bei Vorlage der Buhhaltungsunterlagen nicht nachlässig gehandelt habe. Aus dem Inhalt dieses Schreibens ergebe sich nämlich, dass der Beklagte bereits Mitte Mai 2002 im Besitz der steuerlichen Unterlagen für den Veranlagungszeitraum 2001 gewesen sein müsse. Hieraus sei weiter zu folgern, dass dem Beklagten darüber hinaus zu diesem Zeitpunkt die steuerlichen Unterlagen für die Veranlagungszeiträume 1998 bis 2000 vorgelegen hätten, da ihm ansonsten die Veränderung der steuerlich zu berücksichtigenden Rückstellungen für diese Veranlagungszeiträume nicht hätte bekannt sein können.
Außerdem habe der Beklagte zunächst fälschlicherweise behauptet, die Buchhaltungsunterlagen für die Veranlagungszeiträume 1999 und 2006 seien "Opfer des Hochwassers" geworden, da sein Keller überschwemmt worden sei.
Ebenso sei der Beklagte seiner Dokumentationspflicht nicht nachgekommen, da er die bei ihm letztlich eingegangenen Unterlagen unstreitig nicht mit einem Eingangsstempel versehen hat.
Diese Gesamtumstände bewirkten ebenfalls eine Umkehr der Beweislast. Der Beklagte habe somit den Nachweis zu erbringen, dass ihm die für die Abgabe der Steuererklärungen erforderlichen Buchhaltungsunterlagen durch die Klägerin nicht rechtzeitig vorgelegt worden seien. Dieser Nachweis sei dem Beklagten jedoch nicht gelungen.
Demzufolge sei davon auszugehen, dass der Beklagte in der Lage gewesen sei, die Steuererklärungen rechtzeitig zu erstellen. Hätte er diese ihm obliegende Verpflichtung erfüllt, wäre es bereits nicht zum Erlass der Schätzungsbescheide gekommen.
Selbst wenn die Annahme einer verspäteten Vorlage der Buchhaltungsunterlagen durch die Klägerin gerechtfertigt wäre, hätte der Beklagte die Klägerin ...