Leitsatz (amtlich)

1. Liegt aufgrund des Parteivorbringens und der sonstigen festgestellten Tatsachen ein leichtfertiges oder vorsätzliches Verhalten des Frachtführers oder seiner Leute nahe, obliegt dem Frachtführer im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast eine Recherchepflicht zu den Umständen des konkreten Schadensverlaufes und den konkreten Schadensursachen (Anschluss an BGH TranspR 2011, 218; 2012, 107; 2012, 3774; Abgrenzung zu OLG Köln TranspR 2015, 106). Auf die abstrakte Möglichkeit eines Verpackungsmangels im Sinne des Art. 17 Abs. 2 Nr. 4b CMR kommt es in diesem Falle nicht mehr an.

2. Trifft den Frachtführer nach Art. 29 Abs. 1 CMR ein qualifiziertes Verschulden, kann der Geschädigte nach den nationalen Bestimmungen - bei Anwendbarkeit deutschen Rechts also gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 der Rom-I-VO - Schadensersatz gemäß §§ 249 ff BGB einschließlich einkalkulierter Transportkosten und des entgangenen Gewinns verlangen. Der Schadensersatzanspruch ist nicht auf die Berechnung nach Art. 23 CMR beschränkt (Anschluss an BGHZ 187, 141).

 

Normenkette

CMR Art. 17 Abs. 1, 2 Nr. 4b, Art. 16 Abs. 2, Art. 20 Abs. 1, Art. 23, 29 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Coburg (Urteil vom 15.01.2015; Aktenzeichen 1 HK O 5/13)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des LG Coburg vom 15.01.2015, Az. 1 HKO 5/13, wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Dieses Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des LG Coburg sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz wegen Verlusts bzw. Beschädigung von Transportgut in Anspruch.

Die Klägerin ist ein international tätiges Speditionsunternehmen. Sie wurde von der Fa. A. beauftragt, Farben und Edelputz von der Ladestelle H. Straße, M. zur Fa. B. in C./Italien zu verbringen. Die Klägerin beauftragte ihrerseits den Beklagten mit dem Transport des Ladeguts, bestehend aus 33 Paletten Fertigputz/Farbe in Eimern mit einem Gesamtgewicht von 20.051,772 kg. Als Transport-Lkw war ein "Frigo" vereinbart (Anlage K 1). Vor der Beladung erklärte der Beklagte telefonisch, dass er keinen Thermoauflieger im Raum M. zur Verfügung habe; er holte sich sodann bei der Disponentin der Klägerin die Genehmigung ein, mit einem Planenauflieger die Ladung abzuholen, um diese an seinem Firmensitz in D. auf den "Frigo" umzuladen.

Der von dem Beklagten eingesetzte Fahrer des Planen-Lkws bestätigte in der Verladeliste (Anlage K 2) die Übernahme der Sendung am 20.08.2012 in einwandfreiem, vollzähligen und transportsicherem Zustand. Die Beladung des LKW mit den in Schrumpffolie eingeschweißten Paletten wurde außerdem mit Lichtbild am 20.08.2012, 7.28 Uhr, festgehalten (Anlage K 3). Der als Anlage B 1 vorgelegte Frachtbrief des Beklagten weist die Übernahme von 33 Europaletten mit Farben zu einem Gewicht von 20.100 kg aus. In der Folgezeit ließ der Beklagte das übernommene Transportgut an seinem Firmensitz in ein Thermofahrzeug umladen.

Am 25.08.2012, zwei Tage nach dem vereinbarten Liefertermin am 23.08.2012 (Anlage K 1), lieferte der von dem Beklagten eingesetzte Fahrer - der Zeuge E. - das Ladegut in C. an. Die Empfängerin verweigerte die Annahme des Ladeguts aufgrund eines eingetretenen Transportschadens und dokumentierte dies auf einem weiteren Frachtbrief des Beklagten (Anlage K 4, in beglaubigter Übersetzung Anlage K 14 A), der sich auf nur noch 27 Europaletten Ladegut bezieht. Die Empfängerin fertigte dabei eine Vielzahl von Lichtbildern, die den Zustand des Transportgutes bei Ankunft in C. aufzeigen (Anlage K 5). Hiernach war ein Großteil der Eimer aufgebrochen und deren Inhalt aus den Eimern ausgetreten.

Anschließend fuhr der Fahrer des Beklagten den LKW wieder zurück nach Deutschland zum Betriebsgelände des Beklagten nach D.. Dort fand eine Besichtigung durch den Havariesachverständigen W. statt. Hinsichtlich des Ergebnisses der Besichtigung wird auf die Anlage B 3 Bezug genommen. Der Havariesachverständige stellte fest, dass jede Palette mit einer "dünnschichtigen Schutzfolie umgeben" war, was nach seiner Einschätzung einen erheblichen Verpackungsmangel und Sicherungsmangel darstellte.

Nachdem der Beklagte der Klägerin zehn Monate nach der Annahmeverweigerung seitens der Empfängerin im laufenden Verfahren die Rücklieferung der restlichen, bei ihr befindlichen Waren angeboten hatte, berief sich die Klägerin mit Schriftsatz vom 12.06.2013 (Bl. 88 d.A.) auf die Verlustvermutung des Art. 20 Abs. 1 CMR.

Die Klägerin hat in erster Instanz vorgetragen, dass sie die Ladung ordnungsgemäß verpackt habe. Im Hinblick auf den vom Beklagten bzw. seinem Fahrer selbst angefertigten Frachtbrief (Anlage K 4) bestehe der Verdacht, dass nur 27 Paletten in Italien angeliefert worden seien. Hieraus sei zu schließen, dass das Fahrzeug ggf. auf der Strecke nach S. havariert oder ein Teil der Sendung nicht verladen worden sei. Darüber hinaus ...

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