Normenkette
BGB § 254 Abs. 1, § 305 Abs. 1 S. 2, § 305c Abs. 1-2, § 307 Abs. 1 Sätze 1-2, § 398; CMR Art. 1 Abs. 1, Art. 3, 9 Abs. 1-2, Art. 17 Abs. 1-4, Art. 23 Abs. 3, 7, Art. 29 Abs. 1-2; EGV 593/2008 Art. 5 Abs. 1 Sätze 1-2; HGB §§ 428, 435; VVG § 86; ZPO § 138 Abs. 4, §§ 416, 439 Abs. 3, § 440 Abs. 2, §§ 513, 529, 543 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 546
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Urteil vom 19.10.2021; Aktenzeichen 31 O 92/20) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 19. Oktober 2021 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Magdeburg wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahren hat die Beklagte zu tragen. Die durch die Nebenintervention verursachten Kosten sind der Streithelferin aufzuerlegen.
Das Urteil und das angefochtene Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Magdeburg vom 19. Oktober 2021 sind ohne Sicherheitsleistungen vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus den Urteilen durch Sicherheitsleistung in Höhe von je 120 % des aufgrund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Und beschlossen:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 86.915,60 Euro festgesetzt.
Gründe
A. Die Klägerin nimmt das beklagte Transportunternehmen wegen des Verlusts von Transportgut während eines internationalen Straßengütertransportes von O. (Niederlande) nach H. auf Ersatz des Warenwertes der abhanden gekommenen Güter in Anspruch.
Die Klägerin ist ein international tätiges Speditionsunternehmen. Sie wurde im November 2019 von der Firma L. BV mit der Durchführung eines Transportes von 39 mit Elektrogütern beladenen Paletten von O. /Niederlanden nach H. /Deutschland beauftragt. Die Klägerin erteilte daraufhin am 07. November 2019 der Beklagten den als Anlage K 5 (Anlagensonderband) vorgelegten Transportauftrag, das Transportgut mit einem Gesamtgewicht von 5.449 kg von O. /Niederlande nach H. zu fixen Kosten mittels Lkw zu befördern. In dem von der Klägerin verwendeten Vertragsformulars war unter der Rubrik "special feature" im Hinblick auf zu beachtende Sicherheitsanforderungen bei Ruhepausen Folgendes ausgeführt:
"BREAKS ONLY ALLOWED ON A SECURED AND SAFE PARKING PLACE/OR D. BRANCH AFTER APPROVAL: IF YOU NEED HELP TO SEARCH FOR PARKINGPLACE, LET US NOW..."
Wegen der Einzelheiten des Vertragsinhalts nimmt der Senat auf den mit "Transport Order for National and International Road Transport (AVC/CMR)" überschriebenen Transportvertrag der Parteien vom 07. November 2019 - Anlage K 5, Anlagensonderband - Bezug.
Die Beklagte gab den Auftrag an ihre Schwestergesellschaft U: weiter, die wiederum die Firma T. als Unterfrachtführerin mit der Ausführung der Beförderung beauftragte. Die Unterfrachtführerin Firma T.
unterhielt bei der Streithelferin der Beklagten eine Verkehrshaftungsversicherung.
Ausweislich des als Anlage K 2 vorgelegten CMR-Frachtbriefes übernahm die Unterfrachtführerin am 08. November 2019 zum Transport nach H. insgesamt 1901 Kartons mit elektronischer Gütern (electronic goods), verladen auf 39 Paletten. In dem Frachtbrief wurde unter Angabe der Sendungsnummern auf verschiedene Sendungsscheine (Anlage K 3) Bezug genommen, die dem Frachtbrief beigefügt waren. Aus den Sendungsscheinen gingen die Artikelbezeichnung des Transportgutes, die Auftragsnummer und die Mengenangaben hervor.
Der von der beauftragten Unterfrachtführerin eingesetzte Fahrer steuerte am 08. November 2019 den Rastplatz D. an der BAB A 57 in der Nähe der Stadt M. an, um seine Ruhepause einzuhalten. Er stellte den mit dem Transportgut beladenen Lkw dort gegen 16.19 Uhr auf dem beleuchteten Parkplatz ab. In den Morgenstunden des 09. November 2019 musste der Fahrer feststellen, dass in den Lkw eingebrochen und Teile der Ladung entwendet worden waren. Auf dem CMR-Frachtbrief ist handschriftlich vermerkt, dass sechs Paletten gestohlen worden seien. Wegen des Diebstahls wurde eine Strafanzeige bei der Polizei aufgenommen.
Aufgrund des eingetretenen Teilverlustes der Sendung nahm die Firma L. BV bzw. deren Warentransportversicherer mit Schreiben vom 21. Juli 2020 (Anlage K 1) die Klägerin auf Schadensersatz in Anspruch.
Mit Schreiben vom 14. August 2020 (Anlage B 1, Blatt 27 d. A.) zeigte die E. Insurance A/S der Beklagten an, dass sie der Versicherer der Klägerin sei (cargo insures). Zugleich forderte sie die Beklagte wegen des in deren Obhutszeit eingetretenen Teilverlustes von Transportgut auf, den eingetretenen Schaden in Höhe eines Warenwertes von 86.915,60 Euro auszugleichen.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass die Beklagte ihr als mit dem Transport der Ware beauftragte Frachtführerin nach Art. 17, 29 CMR auf Ersatz des vollen Warenwertes des während des streitgegenständlichen Transportes in Verlust geratenen Transportgutes hafte. Insoweit hat sie vorgetragen, dass sie den Ersatzanspruch weder an ihren Verkehrshaftungsversicherer, nämlich die...