Entscheidungsstichwort (Thema)

Einsichtsrecht eines Miterben ins Grundbuch zur Klärung von Ausgleichspflichten nach §§ 2050 ff. BGB

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Miterbe kann ein berechtigtes Interesse an umfassender Grundbucheinsicht in ein früher dem Erblasser gehörendes Grundstück haben, wenn Ausgleichsansprüche gegen einen Miterben nach § 2050 ff. BGB in Betracht kommen.

2. Zur Klärung von Ausgleichspflichten nach §§ 2050 ff. BGB sind dem Miterben Auszüge aus den Grundakten zu erteilen, wenn nicht die schutzwürdigen Interessen des eingetragenen Eigentümers überwiegen.

 

Normenkette

BGB §§ 2050, 2050 ff.; GBO § 12; GBV ND § 46 Abs. 1, 3

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts H. - Grundbuchamt - vom 01.08.2018 aufgehoben, soweit das Amtsgericht der Erinnerung des Antragstellers gegen die Versagung der Akteneinsicht nicht abgeholfen hat.

2. Das Grundbuchamt wird angewiesen,

a) dem Antragsteller einen vollständigen einfachen Grundbuchauszug hinsichtlich des im Grundbuch des Amtsgerichts H. von B. L. eingetragenen Grundstücks zu erteilen,

b) dem Antragsteller aus der Grundakte zu dem vorbezeichneten Grundstück eine beglaubigte Abschrift des notariellen Übertragungsvertrages vom 21.03.2013 zwischen M. L. und B. R. (UR Nr.) sowie des notariellen Kaufvertrages vom 13.11.2013 zwischen M. L. und B. R. als Verkäuferinnen und W. R. als Käuferin (UR Nr.) zu erteilen.

3. Die Beschwerdeentscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

5. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Eheleute W. und M. L. waren vormalig Eigentümer des im Grundbuch des Amtsgerichts H. von B. L. unter lfd. Nr. 1, 2 eingetragenen Hausgrundstücks. Der Antragsteller ist ein Sohn der Eheleute. Sein Vater W. L. verstarb 2013. W. und M. L. haben sich durch privatschriftliches gemeinschaftliches Testament aus dem Jahr 1993 gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und ihre drei Kinder zu gleichen Teilen als Erben des Letztversterbenden bestimmt (Bl. 131 d. A.). Das Testament wurde eröffnet. In der Folge wurde der Miteigentumsanteil von W. L. an dem vorbenannten Grundstück auf M. L. als Alleineigentümerin umgeschrieben. M. L. verstarb 2018. Gemäß dem Erbschein des Amtsgerichts H. vom 01.02.2019 (Az. 8 VI 384/18) wurde M. L. von dem Antragsteller, seiner Schwester B. R., geb. L., sowie den Erbinnen des vorverstorbenen Bruders D. gemeinsam beerbt.

M. L. hatte ihr Eigentum an dem Hausgrundstück im Jahr 2013 auf ihre Tochter B. R. übertragen. B. R. veräußerte das Grundstück kurz darauf an eine dritte Person weiter. Sie gab der Betreuerin des Antragstellers auf Anfrage keine Auskunft über die Veräußerungsvorgänge. Der Antragsteller begehrt deshalb einen Grundbuchauszug und die Erteilung von Abschriften der notariellen Verträge, die zu einem Eigentumswechsel von W. L. und/oder M. L. auf dritte Personen geführt haben. Er macht geltend, im Hinblick erbrechtliche Ausgleichungs- und/oder Anrechnungsansprüche ein berechtigtes Interesse an den begehrten Auskünften zu haben.

Mit Schreiben vom 02.03.2018 wies die Urkundsbeamtin den Antrag der Betreuerin auf Erteilung eines Grundbuchauszuges mit der Begründung zurück, dass der Beschwerdeführer eine Vollmacht der jetzigen Eigentümerin benötige. Auskunft, an wen B. R. das Grundstück veräußert habe, könne nicht erteilt werden (Bl. 136 d. A.). Mit gleicher Begründung wies das Grundbuchamt das nachfolgende anwaltliche Ersuchen zurück (Bl. 139, 143 d. A.). Auf das Anwaltsschreiben vom 17.04.2018 (Bl. 144 d. A.) erteilte die Urkundsbeamtin mit Schreiben vom 04.05.2018 einen "gekürzte[n]/teilweise[n] Grundbuchauszug" bezogen auf den Erbfall nach dem Vater des Beschwerdeführers und lehnte den weitergehenden Antrag ab (Bl. 145 d. A.). Hiergegen legte der Beschwerdeführer mit Anwaltsschreiben vom 14.05.2018, beim Grundbuchamt eingegangen am 17.05.2018, "Rechtsmittel" ein und machte Ausführungen zum rechtlichen Interesse an der Einsichtnahme (Bl. 147 d. A.). Die Urkundsbeamtin half dem nicht ab und legte den Vorgang der Rechtspflegerin zur Entscheidung vor (Bl. 146 d. A.).

Mit Beschluss vom 01.08.2018 hat die Rechtspflegerin am Grundbuchamt der Erinnerung insoweit abgeholfen, dass dem Beschwerdeführer eine beglaubigte Abschrift der Auflassungsurkunde vom 21.03.2013 übersandt und mitgeteilt wurde, dass B. R. infolge der Auflassung am 24.07.2013 Eigentümerin der unter lfd. Nr. 1 und 2 im Bestandsverzeichnis eingetragenen Grundstücke geworden ist. Die Erteilung eines vollständigen Grundbuchauszuges lehnte sie unter Hinweis darauf ab, dass B. R. aktuell nicht mehr Eigentümerin sei.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 11.04.2019 hat der Beschwerdeführer um Zuleitung der Akten an das Oberlandesgericht gebeten zur Entscheidung über den "noch nicht bearbeiteten und insofern nicht abgeholfenen Antrag" (Bl. 153 d. A.).

Das Amtsgericht - Grundbuchamt - hat der Beschwerde durch Beschluss ...

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