Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtbarkeit des Bekanntgabebeschlusses nach § 3 Abs. 2 Satz 1 KapMuG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Beschluss des Prozessgerichts nach § 3 Abs. 2 Satz 1 KapMuG zur Bekanntmachung eines Musterverfahrensantrags im Klageregister ist auch dann nicht gem. § 252 ZPO analog anfechtbar, wenn das zugrundliegende Verfahren nicht in den Anwendungsbereich des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes nach § 1 Abs. 1 KapMuG fällt. Es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke.

2. Die Beteiligten können den Aussetzungsbeschluss gem. § 8 Abs. 1 S. 1 KapMuG auch mit der Begründung anfechten, dass der Anwendungsbereich des KapMuG nicht eröffnet ist.

 

Normenkette

KapMuG § 3 Abs. 2 S. 1, § 6 Abs. 5, § 8 Abs. 1 S. 1; ZPO §§ 252, 567 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Braunschweig (Beschluss vom 15.09.2016; Aktenzeichen 5 O 2605/15)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Streithelferin gegen den Beschluss des LG Braunschweig vom 15.09.2016 wird als unzulässig verworfen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 11.578,07 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen einer angeblichen fehlerhaften Anlageberatung im Hinblick auf die Beteiligung an sog. Flottenfonds in Anspruch.

Im Laufe des Rechtsstreits hat der Kläger zwei Musterverfahrensanträge unter dem 08.06.2016 mit mehreren Feststellungszielen gestellt, die Verkaufsprospekte über die Beteiligung am L. Fonds S. und L. Fonds S. II sowie eine Kurzinformation zu der Beteiligung an dem L. Fonds S. betreffen.

Die Beklagte hat der Streithelferin mit Schriftsatz vom 27.06.2016 den Streit verkündet. Die Streithelferin ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.

Das LG Braunschweig hat unter dem 15.09.2016 beschlossen, einen Teil des Musterverfahrensantrags betreffend den Emissionsprospekt und die Kurzinformation für die Beteiligung an dem L. Fonds S. öffentlich bekannt zu machen, und den Antrag im Übrigen als unzulässig verworfen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 15.09.2016 Bezug genommen.

Der Beschluss ist der Beklagten am 26.09.2016 zugestellt worden. Gegen den Beschluss vom 15.09.2016 hat die Streithelferin am 30.09.2016 beim Oberlandesgericht sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung gem. § 570 Abs. 3 ZPO die Vollziehung des Bekanntmachungsbeschlusses durch Veröffentlichung im Klageregister nach lit. A) des Beschlusses des LG Braunschweig vom 15.09.2016 auszusetzen sowie die Veröffentlichung im Klageregister rückgängig zu machen.

Die Streithelferin hat zur Zulässigkeit ihrer sofortigen Beschwerde vorgetragen, dass diese statthaft sei, weil der Anwendungsbereich des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes (KapMuG) weder nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 noch Nr. 2 KapMuG eröffnet sei. Sei ein Gesetz nicht anzuwenden, könne auch eine in diesem Gesetz enthaltene Bestimmung über die Unanfechtbarkeit von Entscheidungen keine Wirkung entfalten. Eine sofortige Beschwerde sei daher gegen die einen Stillstand des Verfahrens herbeiführende Entscheidung des LG im Hinblick auf die Vorschrift des § 252 ZPO statthaft, wenn das zugrunde liegende Verfahren nicht musterverfahrensfähig sei, weil es dann nicht in den Anwendungsbereich gemäß § 1 Abs. 1 KapMuG falle und somit auch der Rechtsmittelausschluss nach § 3 Abs. 2 S. 1 KapMuG nicht eingreife. Der Kläger stütze seine Klage gerade darauf, fehlerhaft beraten worden zu sein, weil ihm der Prospekt nicht rechtzeitig übergeben und ihm die öffentlichen Kapitalmarktinformationen auch nicht durch den Berater zur Verfügung gestellt worden seien. Die Anwendbarkeit des KapMuG würde nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG voraussetzen, dass ein Schadensersatzanspruch wegen Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation geltend gemacht werde. An einem solchen konkreten Bezug und somit an einer Verwendung fehle es, wenn der Kläger nicht substantiiert vortrage, dass die beanstandeten Prospektangaben Gegenstand des Vermittlungsgesprächs gewesen seien. Der Kläger stütze vorliegend seine Klage gerade darauf, dass ihm die öffentlichen Kapitalmarktinformationen nicht zur Verfügung gestellt worden seien. Der Kläger berufe sich auf eine nicht rechtzeitige Prospektübergabe. Er habe noch nicht einmal im Ansatz behauptet, dass die für die angeblichen Prospektfehler maßgeblichen Prospektpassagen im Gespräch mit dem Berater V. erörtert worden seien. Vielmehr bringe der Kläger explizit vor, dass die Inhalte des Prospekts, wie Weichkosten und Risiken, nicht besprochen worden seien. Der Kläger behaupte lediglich abstrakt, dass Herr V. sich mittels des Prospekts auf die Beratung des Klägers "vorbereitet" habe. Entsprechendes gelte für die Kurzinformation. Der Kläger trage gerade nicht vor, dass die Kurzinformation ihm übergeben worden sei bzw. in der Beratung zur Verwendung gekommen oder die in ihr enthaltenen Informationen Gegenstand des Gesprächs mit Herrn V. gewesen seien. Der Kläger erwähne lediglich abstrakt und losgelöst vom...

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