Entscheidungsstichwort (Thema)
Wertersatz für eine Auflassungsvormerkung im Falle der Zwangsversteigerung
Leitsatz (amtlich)
Im Falle der Zwangsversteigerung tritt mit dem Zuschlag an die Stelle einer Auflassungsvormerkung, die nachrangig zu dem Recht des beitreibenden Gläubigers ist, ein Anspruch auf Ersatz ihres Wertes (Surrogationsprinzip); dies gilt auch dann, wenn der Vormerkungsberechtigte selbst den Zuschlag erhält; der vom Berechtigten gegebenenfalls noch geschuldete Kaufpreis ist nicht abzuziehen.
Normenkette
BGB §§ 275, 812 Abs. 1, § 883; NHintG § 16; ZPO § 522 Abs. 2; ZVG §§ 44-45, 52 Abs. 1 S. 2, §§ 91, 92 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Braunschweig (Urteil vom 11.10.2022; Aktenzeichen 4 O 81/22) |
Tenor
Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Beklagten durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuwiesen, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 ZPO vorliegen.
Gründe
I. Die Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung zur Zustimmung zur Herausgabe hinterlegten Geldes aus der Zwangsversteigerung eines Hausgrundstücks und begehrt ihrerseits Zustimmung zur Herausgabe durch den Kläger.
Der Kläger schloss mit dem Verkäufer den notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 8. Februar 2017 (Anlage K1) betreffend ein aus drei Flurstücken bestehendes Hausgrundstück in der E.-Straße in A. ... Das Grundstück war unter anderem mit einer Grundschuld in Höhe von 310.000,00 EUR zugunsten einer Bank belastet (Abteilung III, lfd. Nr. 17).
Der Kläger kaufte zunächst die beiden hinteren Grundstücksteile (Flurstücke ... und ...) für 65.000,00 EUR, die über den mit einem Haus bebauten vorderen Grundstücksteil (Flurstück ...) erschlossen sind. Für die beiden hinteren Flurstücke wurde zu Gunsten des Klägers eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen.
In demselben Kaufvertrag bot der Verkäufer dem Kläger den Kauf des vorderen Grundstücksteils (Flurstück ...) für 285.000,00 EUR an, aufschiebend bedingt für den Fall, dass der Kläger aus der von ihm dinglich zu übernehmenden Grundschuld (Abteilung III, lfd. Nr. 17) in Anspruch genommen werden sollte. Auch für das vordere Flurstück wurde zu Gunsten des Klägers eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen. Nach Bedingungseintritt nahm der Kläger dieses Angebot mit notarieller Urkunde vom 9. Mai 2019 (Anlage K2) an.
Am 17. Juni 2019 wurde das gesamte Grundstück (alle drei Flurstücke) auf Antrag der Bank zwangsversteigert. Dem Zwangsversteigerungsverfahren traten unter anderem das Finanzamt sowie die Beklagte bei, letztere mit gegen den Verkäufer persönlich bestehenden Ansprüchen (unter anderem aus Abfallgebühren und Gewerbesteuern nebst Mahngebühren und Säumniszuschlägen) in Höhe von 20.282,48 EUR.
Der Kläger erhielt für 440.050,00 EUR den Zuschlag (Anlagen K3 und K4). Mit Teilungsplan vom 17. September 2019 (Anlage K6 und K7) wurde der Versteigerungserlös verteilt; dabei konnte keine Einigkeit über die Art der Berücksichtigung der Auflassungsvormerkungen zugunsten des Klägers erzielt werden (Feststellung der Schuldenmasse, lfd. Nr. 6, "Aufschiebend bedingter Anspruch aus der Auflassungsvormerkung II/8+9 bzgl. des an dieser Rangstelle zur Verfügung stehenden Resterlöses"), so dass zunächst nur die im Rang vor den Auflassungsvormerkungen stehenden Forderungen befriedigt wurden und der Restbetrag von 103.408,71 EUR bei dem Amtsgericht Braunschweig hinterlegt wurde. Die laut Verteilungsplan nachrangigen Forderungen - unter anderem aus Sicherungshypotheken des Finanzamts sowie die der Beklagten in Höhe von 20.282,48 EUR - wurden zunächst nicht befriedigt.
Über das Vermögen des Verkäufers wurde am 6. Oktober 2021 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Der Kläger behauptet, auf die Kaufpreisforderung von 65.000,00 EUR bezüglich des hinteren Grundstücksteils (Flurstücke ... und ...) insgesamt 61.000,00 EUR an den Verkäufer gezahlt zu haben, so dass aus den Kaufverträgen eine Restschuld von (65.000,00 EUR + 285.000,00 EUR - 61.000,00 EUR =) 289.000,00 EUR bestanden habe; über diesen Betrag gehe der Versteigerungserlös um (440.050,00 EUR - 289.000,00 EUR =) 151.050,00 EUR hinaus. Der Kläger ist der Ansicht, dass er in dieser Höhe einen vorrangigen Anspruch auf den Versteigerungserlös habe; aufgrund der an der entsprechenden Rangstelle eingetragenen Auflassungsvormerkung habe er einen Anspruch auf Auszahlung der hinterlegten 103.408,71 EUR.
Erstinstanzlich hat der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihre Zustimmung zur Freigabe der beim Amtsgericht ..., Aktenzeichen ..., hinterlegten Gelder in Höhe von Euro 20.282,48 zu erteilen.
Erstinstanzlich hat die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Widerklagend hat die Beklagte erstinstanzlich beantragt,
den Kläger zu verurteilen, aus dem zum Aktenzeichen ... des Amtsgerichts ... hinterlegten Geldbetrag die Auszahlung eines Betrages von 20.282,48 EUR an die Beklagte zu bewilligen.
Der Kläger hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Die...