Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewillkürte Prozessstandschaft der Eltern für ein minderjähriges Kind

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Ermächtigung der Eltern durch ein minderjähriges Kind, eine Forderung des Kindes in gewillkürter Prozessstandschaft gerichtlich geltend zu machen, ist für das Kind lediglich rechtlich vorteilhaft.

2. Ein rechtliches Interesse an der Prozessführung der Eltern im eigenen Namen, die für sich und ihr minderjähriges Kind eine Geldanlage gezeichnet haben, ergibt sich nicht schon daraus, dass die geltend gemachten Ansprüche einem Lebenssachverhalt entstammen, an dem nur die Eltern, nicht aber das Kind beteiligt war. Die Sachnähe mag eine Prozessführung durch die Eltern sinnvoll erscheinen lassen, hat aber keine Auswirkungen auf ihre Rechtsstellung (Fortführung von BGH, Urteil vom 5. Februar 2009 - III ZR 164/08 -, NJW 2009, S. 1213 [1215 Rn. 21] m.w.N.; Urteil vom 24. August 2016 - VIII ZR 182/15 -, NJW 2017, S. 487 [488 Rn. 19]).

 

Normenkette

BGB §§ 181, 195, 199 Abs. 1, § 280 Abs. 1, §§ 611, 675 Abs. 1, §§ 675, 1629 Abs. 2 S. 1, § 1795; RABerufsO § 11 Abs. 1 S. 1; ZPO §§ 141, 286, 313 Abs. 2 S. 1, § 522 Abs. 2, § 529 Abs. 1 Nr. 1, § 531 Abs. 2

 

Tenor

Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 ZPO vorliegen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche gegen ihre ehemalige Rechtsanwältin aus einem Mandat in einer Kapitalanlagesache geltend.

1. Die verwitwete Klägerin ist allein sorgeberechtigt für ihren im Jahr 2004 geborenen Sohn. Aufgrund Vermittlung durch den Zeugen E., der als Anlagevermittler für die F. AG tätig war, zeichnete die Klägerin im Jahr 2013 Orderschuldverschreibungen der G. KG für sich und ihren Sohn in Höhe von jeweils 12.000,00 EUR sowie für sich ein Nachrangdarlehen in Höhe von 33.000,00 EUR. Im weiteren Verlauf des Jahres 2013 wurde über das Vermögen der G. KG das Insolvenzverfahren eröffnet.

Im Dezember 2013 trat die Klägerin an die Beklagte - die damals noch als Rechtsanwältin tätig war - heran, da sie anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen wollte. In diesem Zusammenhang holte die Beklagte mit Schreiben vom 15. Januar 2014 (Anlage K 5, Bl. 12 d.A.) eine Deckungszusage bei der Rechtsschutzversicherung der Klägerin ein "für insolvenzrechtliche Fragen ... sowie Haftungsfragen des Vermittlers E./F. AG", die die Rechtsschutzversicherung mit Schreiben vom 22. Januar 2014 (Anlage B 6, Bl. 9 AB Beklagte) erteilte.

Gemäß Absprache mit der Klägerin sollte die Beklagte zunächst die Forderung gegen die G. KG zur Insolvenztabelle anmelden. Bezüglich etwaiger Ansprüche gegen den Zeugen E. wollten die Parteien zunächst die Gläubigerversammlung abwarten. Die Beklagte wies die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sie "wegen der Verjährung hinsichtlich der Ansprüche gegen den Zeugen E. noch Zeit hätten." In weiteren Gesprächen - deren Inhalt zum Teil streitig ist - ging es um die Frage, ob die Beklagte für die Klägerin an der Gläubigerversammlung teilnehmen könne; die Kosten dafür wollte die Rechtsschutzversicherung ausweislich ihres Schreibens vom 22. April 2014 (Anlage B 3, Bl. 4 AB Beklagte) aber nicht tragen. Die Klägerin schloss sich hinsichtlich des insolvenzrechtlichen Verfahrens einer Interessengemeinschaft an, die von einem anderen Rechtsanwalt vertreten wurde.

Im Mai 2014 fand ein letztes Gespräch zwischen den Parteien in der Kanzlei der Beklagten statt, dessen Inhalt streitig ist. Danach meldete sich die Klägerin erst mit anwaltlichen Schreiben vom 29. August 2018 und 16. Oktober 2018 (Anlagen K 8, Bl. 17 ff. d.A.) wieder bei der Beklagten und machte Schadensersatzansprüche geltend, da die Beklagte Schadensersatzansprüche der Klägerin in Höhe von 57.000,00 EUR gegen den Zeugen E. habe verjähren lassen.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe die Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung vom 22. Januar 2014 nicht an sie weitergeleitet. Sie habe sie auch nicht darauf hingewiesen, dass etwaige Schadensersatzansprüche gegen den Zeugen E. mit Ablauf des Jahres 2016 verjährten. Das Mandatsverhältnis habe auch nach dem letzten Gespräch im Mai 2014 noch fortbestanden, die Beklagte habe - was unstreitig ist - aber nichts unternommen, um die Verjährung etwaiger Schadensersatzansprüche gegen den Zeugen E. zu verhindern.

Die Klägerin hat die am 19. Dezember 2018 bei dem Landgericht Göttingen eingegangene Klage zunächst insgesamt im eigenen Namen erhoben und Zahlung von 57.000,00 EUR an sich selbst beantragt. Mit Schriftsatz vom 11. März 2019 (Bl. 40-46 Bd. I d.A.) hat sie vorgetragen, hinsichtlich des Betrags von 12.000,00 EUR, der für ihren Sohn angelegt worden sei, mache sie den Anspruch im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend. Ihr Sohn habe - vertreten durch die Klägerin selbst - sie zur Prozessführung ermächtigt. Sie sei nicht gemäß §§ 1629 Abs. 2 Satz...

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