Entscheidungsstichwort (Thema)
Begründung eines Feststellungsbeschlusses gemäß § 1964 BGB; notwendiger Inhalt eines darauf gestützten Erbscheinsantrags des Fiskus
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Feststellungsbeschluss im Sinne des § 1964 BGB ist gemäß § 38 Abs. 3 Satz 1 FamFG grundsätzlich zu begründen; dabei können die in § 352 Abs. 1 und Abs. 2 FamFG genannten Angaben als Anhaltspunkte dafür dienen, welche Informationen der Beschluss sinnvollerweise enthalten sollte.
2. Jedenfalls im Falle eines werthaltigen Nachlasses haben einem Feststellungsbeschluss im Sinne des § 1964 BGB sowohl Ermittlungen nach möglichen Erben als auch eine öffentliche Aufforderung zur Anmeldung der Erbrechte gemäß § 1965 BGB vorauszugehen.
3. Von einer öffentlichen Aufforderung kann gemäß § 1965 Abs. 1 Satz 2 BGB nur ganz ausnahmsweise abgesehen werden, etwa dann, wenn der Nachlass überschuldet ist oder die Masse die Kosten der öffentlichen Aufforderung nicht deckt. Befinden sich im Nachlass materiell wertlose Gegenstände von hohem ideellem Wert, können die Kosten der öffentlichen Aufforderung auch dann noch verhältnismäßig sein, wenn sie den materiellen Nachlass vollständig aufbrauchen.
4. Der Fiskus kann in einem Erbscheinsantrag grundsätzlich auf den in derselben Sache ergangenen Feststellungsbeschluss gemäß § 1964 BGB Bezug nehmen. Die Bezugnahme allein reicht aber nicht aus, da im Erbscheinsantrag des Fiskus regelmäßig Angaben erforderlich sind, die über den Inhalt eines Feststellungsbeschlusses hinausgehen; auch die Beteiligung Dritter kann das Formulieren eines vollständigen Erbscheinsantrags erforderlich machen (Anschluss an OLG Celle, Beschluss vom 18. Juli 2013 - 6 W 111/13 - n.v.).
Normenkette
BGB §§ 1936, 1964, 1965 Abs. 1 S. 2, § 2354 ff.; FamFG §§ 29, 30 Abs. 1, § 38 Abs. 3 S. 1, § 48 Abs. 1, §§ 63, 69, 70 Abs. 2 S. 1, §§ 343, 352; GNotKG § 2 Abs. 1 S. 1, § 24 Nr. 9; VVND-333600-MJ-20121213-SF § 23 Abs. 5; ZPO § 291
Verfahrensgang
AG Wolfenbüttel (Beschluss vom 21.03.2019; Aktenzeichen 7 VI 229/19) |
AG Wolfenbüttel (Beschluss vom 10.05.2019; Aktenzeichen 7 VI 152/19) |
AG Wolfenbüttel (Beschluss vom 18.06.2019; Aktenzeichen 7 VI 291/19) |
AG Wolfenbüttel (Beschluss vom 18.03.2019; Aktenzeichen 7 VI 281/19) |
Tenor
1. Der Beschluss des Amtsgerichts Wolfenbüttel - Nachlassgericht - vom 21. März 2019 - 7 VI 229/19 - wird aufgehoben. Die Sache wird zur Durchführung von Erbenermittlungen - insbesondere einer öffentlichen Aufforderung gemäß § 1965 BGB - an das Nachlassgericht zurückverwiesen.
2. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wolfenbüttel - Nachlassgericht - vom 10. Mai 2019 - 7 VI 152/19 - wird zurückgewiesen.
3. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wolfenbüttel - Nachlassgericht - vom 18. Juni 2019 - 7 VI 291/19 - wird zurückgewiesen.
4. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wolfenbüttel - Nachlassgericht - vom 18. März 2020 - 7 VI 281/19 - wird zurückgewiesen.
Es wird darauf hingewiesen, dass der Hilfsantrag vom 2. April 2019 und 5. März 2020, den Feststellungsbeschluss des Amtsgerichts Wolfenbüttel - Nachlassgericht - vom 19. Dezember 2018 - 7 VI 954/18 - aufzuheben und die Erbenermittlung fortzusetzen, vom Nachlassgericht noch nicht beschieden worden ist.
5. Die Entscheidungen ergehen gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Das Land Niedersachsen - vertreten durch das Landesamt für Bau und Liegenschaften - und das Amtsgericht Wolfenbüttel - Nachlassgericht - sind in mehreren Nachlasssachen uneinig darüber, welche Anforderungen der Beschluss zur Feststellung eines Fiskuserbrechts gemäß § 1964 BGB einerseits (Beschwerdeverfahren 3 W 28, 29 und 33/20) sowie ein auf einen solchen Beschluss gestützter Erbscheinsantrag andererseits (Beschwerdeverfahren 3 W 96/20) erfüllen müssen.
1. Gegenstand des Verfahrens 3 W 28/20 ist der Nachlass des Betroffenen zu 1., der geschieden war und im September 2017 verstorben ist, ohne ein Testament zu hinterlassen. Gesetzliche Erben waren nicht bekannt und sind von der - unter anderem zu diesem Zweck bestellten - Nachlasspflegerin nicht ermittelt worden, da diese davon ausgegangen ist, dass aufgrund des geringen Vermögens nicht mit einer Annahme der Erbschaft durch etwaige Erben zu rechnen sei. Nach Durchführung eines Gläubigeraufgebotsverfahrens hinterlegte die Nachlasspflegerin das verbliebene Nachlassvermögen von ca. 650,00 EUR im Januar 2019 bei der Hinterlegungsstelle.
Mit angefochtenem Beschluss vom 21. März 2019 - 7 VI 229/19 - stellte das Nachlassgericht fest, dass ein anderer Erbe als das Land Niedersachsen nicht vorhanden ist.
Gründe:
Die Ermittlungen haben nicht innerhalb einer den Umständen entsprechenden Frist zur Auffindung von Erben geführt.
Eine öffentliche Aufforderung gemäß § 1965 Abs. 1 S. 1 BGB ist unterblieben, weil die Kosten dem Bestand des Nachlasses gegenüber unverhältnismäßig groß sind (§ 1965 Abs. 1 S. 2 BGB).
Daher ist der Fiskus gemäß § 1964 Abs. 1 BGB als Erbe festzustellen.
Es folgt die Rechtsbehelfsb...