Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeugnisverweigerungsrecht eines Verfahrensbeistandes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Tatsachen, die ein zum Verfahrensbeistand bestellter Rechtsanwalt im Rahmen der Ausübung seiner Tätigkeit als Verfahrensbeistand erlangt hat, unterliegen nicht der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht aus § 43a Abs. 2 BRAO, weil der Verfahrensbeistand diese Tatsachen nicht in seiner spezifischen Eigenschaft als Angehöriger der Berufsgruppe der Rechtsanwälte erlangt hat.

2. Dem Verfahrensbeistand steht im Bezug auf Tatsachen, die er in Ausübung dieser Tätigkeit zur Kenntnis genommen hat, ein Zeugnisverweigerungsrecht aus § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu, weil er als parteilicher Interessenvertreter des Kindes tätig geworden ist und ihm in dieser Funktion einzu schützendes Vertrauen entgegengebracht wird.

 

Normenkette

FamFG § 113 Abs. 1 S. 2, § 158 Abs. 1 Abs. 4; ZPO § 383 Abs. 1 Nr. 6, § 387 Abs. 3; BRAO § 43a Abs. 2; StGB § 203; SGB VIII § 2 Abs. 3 Nr. 6, § 50 Abs. 1, § 68 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Bad Gandersheim (Beschluss vom 21.12.2011; Aktenzeichen 1 F 10/10)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG - Familiengerichts - Bad Gandersheim vom 21.12.2011 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines Zeugnisverweigerungsrechts.

Der Antragsteller vertritt im Rahmen des nachehelichen Unterhaltsverfahrens die Auffassung, der Antragstellerin stünde ein nachehelicher Unterhaltsanspruch schon deshalb nicht zu, weil sie ihm den Umgang mit den gemeinsamen Kindern T. und L. verweigere. In der nichtöffentlichen Sitzung vom

16.8.2011 hat er hierzu beantragt, zur Frage "der Förderung bzw. Nichtförderung des Umganges durch die Antragsgegnerin" Frau Rechtsanwältin S. als Zeugin zu vernehmen. Diese war den Kindern T. und L. in zurückliegender Zeit wegen eines bereits abschlägig beschiedenen Antrages des Antragstellers auf Ablösung der Umgangspflegerin als Verfahrensbeistand beigeordnet worden. In diesem Zusammenhang hatte sie unter dem 4.4.2011 nach Rücksprache mit den Kindern und deren Mutter, der Antragsgegnerin, dem Familiengericht in jenem Verfahren in ihrer Funktion als Verfahrensbeistand berichtet.

Mit Beschluss vom 1.11.2011 hat das AG - Familiengericht - Bad Gandersheim entschieden, dass im anhängigen Unterhaltsverfahren über die Frage Beweis erhoben werden soll, ob das Verhalten der Antragsgegnerin Hauptursache für das Unterbleiben der Umgangskontakte des Antragstellers mit seinen Kindern T. und L. ist oder diese sich aktiv darum bemüht hat, die Verweigerungshaltung der beiden Kindern dem Antragsteller gegenüber aufzubrechen, wobei dieses u.a. durch die Vernehmung der Zeugin Rechtsanwältin M. S. geschehen sollte. Mit Schreiben vom 8.11.2011 hat Frau Rechtsanwältin M. S. mitgeteilt, dass sie von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO Gebrauch mache. Sodann hat das AG mit Beschluss vom 21.12.2011 ausgesprochen, dass Frau Rechtsanwältin M. S. als Verfahrensbeistand ein solches Zeugnisverweigerungsrecht zustehe.

Gegen diese Entscheidung, die dem Antragstellervertreter am 2.1.2012 zugestellt worden ist, wendet sich der Antragsteller mit seiner am 13.1.2012 beim AG - Familiengericht - Bad Gandersheim eingegangenen sofortigen Beschwerde, der das AG - Familiengericht - Bad Gandersheim mit Beschluss vom 13.1.2012 nicht abgeholfen und die es zur weiteren Entscheidung dem OLG Braunschweig vorgelegt hat.

II. Die gem. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 387 Abs. 3 ZPO entsprechend statthafte und in zulässiger Weise eingelegte sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Familiengericht geht zutreffend davon aus, dass Frau Rechtsanwältin M. S. in Bezug auf Tatsachen, die ihr in ihrer Funktion als Verfahrensbeistand bekannt geworden sind, im anhängigen nachehelichen Unterhaltsverfahren ein Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zusteht und sie sich hierauf vorliegend wirksam berufen hat.

Dazu im Einzelnen:

1.) Für Zeugen gelten im nachehelichen Unterhaltsverfahren, das dem Verfahrensrecht der freiwilligen Gerichtsbarkeit folgt, aufgrund der Bezugnahme in § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG die zivilprozessualen Vorschriften entsprechend, so dass auch die Bestimmung des § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO anzuwenden ist. Danach sind zur Weigerung des Zeugnisses Personen berechtigt, denen Kraft ihres Amtes, Standes oder Gewerbes Tatsachen anvertraut worden sind, deren Geheimhaltung durch ihre Natur oder durch gesetzliche Vorschriften geboten ist, in Betreff der Tatsachen, auf welche die Verpflichtung zur Verschwiegenheit sich bezieht.

a) Vorliegend kann Frau Rechtsanwältin M. S. ihre Weigerung, zu den im Beweisbeschluss aufgeführten Beweisfragen im Rahmen eines nachehelichen Unterhaltsverfahrens vor dem Familiengericht auszusagen, jedoch nicht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht aus § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO in Verbindung mit einer anwaltlichen Verschwiegenhe...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?