Leitsatz

Gegenstand dieses Verfahrens war die Frage, ob sich eine zum Verfahrensbeistand bestellte Rechtsanwältin in einem Unterhaltsverfahren auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen kann, nachdem sie zuvor in einer Kindschaftssache als Verfahrensbeistand für die gemeinsamen Kinder der Beteiligten bestellt worden war.

 

Sachverhalt

In einem Verfahren wegen nachehelichen Unterhalts wehrte sich der auf Unterhalt in Anspruch genommene Vater von zwei minderjährigen Kindern gegen den Anspruch mit dem Einwand, der Mutter stehe ein Unterhaltsanspruch schon deshalb nicht zu, weil sie ihm den Umgang mit den gemeinsamen Kindern verweigere. Zum Beweis hierfür berief er sich auf das Zeugnis der Rechtsanwältin, die den beiden Kindern in einer früher geführten Kindschaftssache als Verfahrensbeistand beigeordnet worden war.

Nach Erlass eines entsprechenden Beweisbeschlusses des AG machte die Rechtsanwältin von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO Gebrauch. In einem daraufhin eröffneten Zwischenstreit über das Zeugnisverweigerungsrecht entschied das FamG, die Zeugnisverweigerung erfolge zu Recht und legte die Sache, nachdem es der sofortigen Beschwerde des unterhaltspflichtigen Vaters nicht abgeholfen hatte, dem OLG vor.

Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Das OLG hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und ausführlich dargelegt, dass sich die Rechtsanwältin als Verfahrensbeistand zu Recht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen habe. Dieses ergebe sich zwar nicht schon aus §§ 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO, 43a Abs. 2 BRAO aufgrund ihrer Eigenschaft als Rechtsanwältin und der ihr insoweit obliegenden Verschwiegenheitspflicht, wohl aber unmittelbar aus § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO aus der beruflichen Tätigkeit als Verfahrensbeistand selbst.

Der Verfahrensbeistand gehöre zu einem Kreis von Berufen, deren Ausübung ohne Schutz der Vertrauenssphäre nicht denkbar sei. Er habe das Interesse des Kindes festzustellen und dieses im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. Dafür müsse er das Vertrauen des Kindes gewinnen, wofür er einen geschützten Raum benötige, in dem sich sowohl das Kind als auch andere Familienangehörige und Außenstehende unbefangen öffnen und äußern könnten und ihm die notwendigen Beobachtungen im Rahmen von Hausbesuchen ermöglichten. Um dies sicherzustellen, sei der Verfahrensbeistand auf ein Zeugnisverweigerungsrecht angewiesen, da anderenfalls die Gefahr bestehe, dass beispielsweise Eltern kindschaftsrechtliche Verfahren zur Durchsetzung ihrer Interessen in Unterhaltsstreitigkeiten instrumentalisieren könnten.

 

Hinweis

Zu Recht hebt das Gericht in dieser Entscheidung sehr deutlich hervor, dass das Rechtsinstitut der Verfahrensbeistandschaft ausschließlich zum Schutz des Kindes geschaffen worden ist und dieser Schutzzweck in sein Gegenteil verkehrt würde, wenn man zulassen wollte, dass Äußerungen des Kindes gegenüber seinem Interessenvertreter im Wege der Zeugnispflicht in anderen Streitigkeiten thematisiert werden könnten.

 

Link zur Entscheidung

OLG Braunschweig, Beschluss vom 20.02.2012, 1 WF 19/12

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?