Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachholung der Beschwerdezulassung durch das Beschwerdegericht; Erstattungsfähigkeit von Dolmetscherkosten des Verfahrensbeistands

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist erkennbar, dass das erstinstanzliche Gericht irrtümlich von der Statthaftigkeit eines zulassungsfreien Rechtsmittels ausgegangen ist, so ist die Entscheidung über das Vorliegen eines Zulassungsgrundes durch das Beschwerdegericht nachzuholen.

2. Die Kosten für die Hinzuziehung eines Dolmetschers sind dem Verfahrensbeistand neben der Vergütungspauschale zu erstatten, wenn die Hinzuziehung zur Verständigung mit der Familie und damit zur Sicherung eines rechtsstaatlichen Verfahrens erforderlich war und das Gericht dem Verfahrensbeistand daher die Dolmetscherhinzuziehung vorab ausdrücklich gestattet hatte. § 158 c Abs. 1 Satz 3 FamFG steht dem bei verfassungskonformer Auslegung nicht entgegen.

 

Normenkette

FamFG §§ 58, 61, 158c Abs. 1, § 292; GG Art. 3 Abs. 3; JVEG § 1; RPflG § 11; ZPO § 567

 

Verfahrensgang

AG Helmstedt (Aktenzeichen 4 F 207/22)

 

Tenor

Die Beschwerde der Bezirksrevisorin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Helmstedt vom 24.03.2023 wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; die Beteiligten haben ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Das Beschwerdeverfahren betrifft die Vergütung des Verfahrensbeistands für seine Tätigkeit in dem erstinstanzlich geführten Sorgerechtsverfahren.

Das Verfahren betraf die Prüfung der Erforderlichkeit etwaiger sorgerechtlicher Maßnahmen nach § 1666 BGB in Anbetracht der Verurteilung des von der Kindesmutter geschiedenen Kindesvaters wegen Verbreitung und Besitzes kinderpornografischer Schriften durch das am 13.11.2021 rechtskräftig gewordene Urteil des Amtsgerichts Köln zu Az. 535 Ds 134/21. Die Familie stammt aus Afghanistan. Mit Beschluss vom 11.04.2022 hat das Amtsgericht Herrn A. D. zum Verfahrensbeistand für die minderjährigen Kinder N., N., R. und M. H. bestellt und ihm aufgegeben, auch Gespräche mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen der Kinder zu führen. Der Verfahrensbeistand teilte dem Familiengericht mit Schreiben vom 21.04.2022 mit, er halte nach Sichtung der Unterlagen die Hinzuziehung eines Dolmetschers für die afghanische Sprache für erforderlich, und bat hierfür um gerichtliche Genehmigung. Mit Verfügung vom 25.04.2022 hat die Richterin am Amtsgericht die erbetene Genehmigung erteilt und den Verfahrensbeistand hierüber schriftlich informiert. Dieser führte am 28.05.2022 Gespräche mit den Kindern sowie mit beiden Eltern unter Mitwirkung einer Dolmetscherin, die hierfür beim Amtsgericht unter dem 24.06.2022 eine Rechnung in Höhe von 404,60 EUR eingereicht hat (4 Stunden à 85,00 EUR zzgl. MwSt). Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat daraufhin eine Stellungnahme der Bezirksrevisorin zur Frage der Erstattungsfähigkeit von Auslagen des Verfahrensbeistands für die Hinzuziehung eines Dolmetschers eingeholt. Diese hat mit Schreiben vom 11.07.2022 auf die diesbezüglich uneinheitliche Rechtsprechung hingewiesen und mitgeteilt, ihres Erachtens seien die insoweit geltend gemachten Aufwendungen vorliegend durch die Pauschalvergütung des Verfahrensbeistands mit abgegolten. Ferner sei die Dolmetscherin nicht selbst antragsberechtigt, da sie nicht vom Gericht, sondern vom Verfahrensbeistand hinzugezogen worden sei. Auf entsprechende Aufforderung des Gerichts hat der Verfahrensbeistand die Dolmetscherrechnung unter dem 29.07.2022 seinerseits erneut eingereicht. Daneben hat er mit weiterem Schreiben vom 10.10.2022 die Festsetzung und Zahlung der Vergütungspauschale von 2.200,00 EUR beantragt, die durch Verfügung der Urkundsbeamtin antragsgemäß veranlasst worden ist.

Mit dem durch die verfahrenszuständige Richterin am Amtsgericht gefassten Beschluss vom 24.03.2023 hat das Amtsgericht die Erstattung der Kosten der hinzugezogenen Dolmetscherin für das Gespräch am 28.05.2022 gegenüber dem Verfahrensbeistand angeordnet und zur Begründung auf die vorherige gerichtliche Gestattung sowie die Erforderlichkeit der Hinzuziehung zur Sicherung eines rechtsstaatlichen und fairen Verfahrens verwiesen. In der beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung wird die Erinnerung als statthafter Rechtsbehelf bezeichnet. Mit Schreiben vom 06.04.2023 hat die Bezirksrevisorin hiergegen fristwahrend das zulässige Rechtsmittel eingelegt, welches sie nach erfolgter Akteneinsicht mit Schreiben vom 24.04.2023 als Erinnerung gegen die Festsetzung der dem Verfahrensbeistand zu erstattenden Auslagen bezeichnet und zur Begründung auf ihre Stellungnahme vom 11.07.2022 Bezug genommen hat.

Mit Nichtabhilfebeschluss vom 19.05.2023 hat das Amtsgericht das Rechtsmittel als sofortige Beschwerde i.S.v. § 567 ZPO ausgelegt, die in Anbetracht der Beschwer von 404,62 EUR zulässig, jedoch der Sache nach aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses nicht begründet sei.

II. Das als Beschwerde auszulegende Rechtsmittel d...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?