Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenerstattungsanspruch: Erstattungsfähigkeit der Reisekosten einer im Ausland ansässigen Partei im Umgangsrechtsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Einem beteiligten Elternteil mit Sitz im Ausland (hier Vereinigte Staaten von Amerika) werden wie einem Beteiligten im Inland Reisekosten zur Teilnahme am Anhörungstermin erstattet.

2. Solche Reisekosten sind gem. §§ 85 FamFG, 91 Abs. 1 ZPO auch dann erstattungsfähig, wenn der Beteiligte anwaltlich vertreten ist und das Gericht das persönliche Erscheinen nicht angeordnet hat.

 

Normenkette

FamFG § 85; ZPO §§ 91, 103-104

 

Verfahrensgang

AG Göttingen (Beschluss vom 07.11.2011; Aktenzeichen 49 F 92/11 EAUG)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin vom 17.11.2011 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des AG - Familiengerichts - Göttingen vom 7.11.2011 in der Form des Nichtabhilfebeschlusses vom 5.12.2011 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000,34 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde der Antragstellerin vom 17.11.2011 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des AG - Familiengerichts - Göttingen vom 7.11.2011 in der Form des Nichtabhilfebeschlusses vom 5.12.2011 ist zulässig (§§ 104 Abs. 3 FamFG, 567 ff. ZPO), aber nicht begründet.

Die Antragstellerin wendet sich zu Unrecht dagegen, dass das AG die dem Antragsgegner durch die Teilnahme an dem im Umgangsrechtsverfahren durchgeführten Anhörungstermin vom 29.6.2011 entstandenen Reisekosten als erstattungsfähig anerkannt hat. Auch insoweit handelt es sich um notwendige Kosten des familiengerichtlichen einstweiligen Anordnungsverfahrens i.S.d. §§ 91 Abs. 1 S. 2 ZPO, 85 FamFG, die die Antragstellerin nach der Kostengrundentscheidung im Hauptsachebeschluss des Familiengerichts vom 29.6.2011 zu tragen hat.

Den unmittelbaren Verfahrensbeteiligten steht grundsätzlich - auch unter dem Gesichtspunkt der Kostenerstattung - das Recht zu, der mündlichen Verhandlung beizuwohnen. Es handelt sich um "ihr" Verfahren, auch wenn es sich - wie hier - um ein Umgangsrechtsverfahren handelt, bei dem das Kindeswohl im Vordergrund steht und der Amtsermittlungsgrundsatz gilt.

Die Partei muss die Möglichkeit erhalten, auf das Verfahren Einfluss zu nehmen, den Erörterungen im Anhörungstermin, der ein besonders wesentlicher Verfahrensteil ist, zu folgen, dem Gericht ihren Standpunkt zu erläutern und tatsächliches Vorbringen klarzustellen oder zu berichtigen sowie Hintergrundinformationen zu geben, die die gerichtliche Entscheidung oder eine gütliche Erledigung des Verfahrens maßgeblich beeinflussen können.

Verfahrensrechtlich geht damit die Pflicht zur Anhörung der Beteiligten, im Umgangsrechtsverfahren insbesondere der Eltern (§§ 34, 128 Abs. 2, 160 Abs. 1 FamFG), das Fragerecht sowie die Mitwirkungs- und Verfahrensförderungslast im Rahmen der Amtsermittlung (§§ 26, 27 FamFG), die Betonung der richterlichen Aufklärungs- und Hinweispflicht (§§ 28, 34 FamFG) und die Stärkung des Schlichtungsgedankens (§ 36 Abs. 1 FamFG) einher, die dazu dienen, mit der Partei selbst das Streitverhältnis und die Möglichkeit eines Vergleichs zu erörtern (vgl. BGH Rpfleger 2008, 279, juris - Rz. 11; OLG Düsseldorf, Anwaltsblatt 2006, 288, juris Rz. 3; OLG Celle, Juristisches Büro 2003, 594, juris Rz. 2, 3).

Hieraus folgt zugleich, dass die Partei nicht durch Überbürdung des Kostenrisikos davon abgehalten werden darf, einen Verhandlungstermin wahrzunehmen. Die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten findet nur in dem Fall ihre Grenze, dass die Anwesenheit der anwaltlich vertretenen Partei im Termin zur mündlichen Verhandlung als "missbräuchliche Ausnutzung von Parteirechten" erscheint, was in Betracht, wenn von vornherein erkennbar ist, dass eine gütliche Einigung ausscheidet oder die Partei zur Klärung des Sachverhalts aus persönlicher Kenntnis nichts beitragen kann (vgl. BGH, a.a.O., juris Rz. 12; OLG Düsseldorf, a.a.O., juris Rz. 3; OLG Celle, a.a.O., juris Rz. 7; OLG München, NJW-RR 203, 1584).

Ob ein solcher Fall anzunehmen ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls, wobei die Notwendigkeit der Anwesenheit der Partei in einem Verhandlungstermin aus Sicht einer verständigen Partei vor dem jeweiligen Termin zu beurteilen ist ("ex ante"). Nicht entscheidend ist, ob aus objektiver Sicht und zudem noch nachträglich im Kostenfestsetzungsverfahren die Notwendigkeit der Reise zum Verhandlungstermin zu bejahen ist. Denn jeder Partei muss die Möglichkeit eröffnet werden, ihre berechtigten Interessen zu verfolgen, wozu insbesondere auch die Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung gehört (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O., juris Rz. 3; OLG Celle, a.a.O., juris Rz. 5).

Danach kommt es hier nicht darauf an, dass der Antragsgegner anwaltlich vertreten war, ohne Bedeutung ist auch, dass das Familiengericht das persönliche Erscheinen des Antragsgegners nicht angeordnet (§ 33 FamFG) und dem Terminsverlegungsantrag des Antragsgegners nicht entsprochen hatte. Wie sich aus Sicht der Antragstellerin d...

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