Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerdebefugnis bei Ablehnung von Maßnahmen nach § 1666 BGB
Leitsatz (amtlich)
1. Das Absehen von Kinderschutzmaßnahmen durch das Familiengericht stellt keinen unmittelbaren Eingriff in die elterliche Sorge dar und begründet daher keine Beschwerdeberechtigung des sorgeberechtigten Elternteils, der derartige Maßnahmen angeregt hat.
2. § 1666 BGB gibt dem Familiengericht lediglich eine Eingriffsbefugnis für Kinderschutzmaßnahmen, begründet jedoch kein Elternrecht hierauf.
Normenkette
BGB § 1666; FamFG § 59; GG Art. 6 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
AG Helmstedt (Aktenzeichen 4 F 822/19) |
Tenor
Die Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Helmstedt vom 27.10.2023 wird als unzulässig verworfen.
Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Die Beteiligten haben ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der Beschwerdewert wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Das Verfahren betrifft die elterliche Sorge für das derzeit knapp zehnjährige Kind J. L. B., geb. am . Seit der Trennung ihrer Eltern im Sommer 2015 lebt J. im Haushalt ihrer Mutter, gemeinsam mit ihrer am 08.02.2018 geborenen Halbschwester T.
Zwischen den Eltern wurden seit September 2015 zahlreiche gerichtliche Verfahren über das Sorge- und Umgangsrecht J. betreffend geführt. Der Umgang mit dem Vater fand zunächst zweimal wöchentlich stundenweise statt, nach einigen Monaten kam es unter anderem aufgrund von Schwierigkeiten des Kindes, sich von der Mutter zu lösen, zu einer Aussetzung der Kontakte sowie ab Mitte Mai 2017 - nach Einholung von mehreren Sachverständigengutachten - zu einer Installation begleiteter Umgänge, deren genaue Ausgestaltung in der Folgezeit mehrfach geändert wurde. Seit November 2019 ließ die Mutter keine Umgangskontakte mehr zu, da J. ihr von sexuellen Handlungen des Vaters während der Umgänge erzählt habe. Das auf ihre Anzeige von der Staatsanwaltschaft Braunschweig zu Az. eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs des schweren sexuellen Missbrauchs wurde mit Bescheid vom 14.10.2020 mangels hinreichenden Tatverdachts wegen fehlender Zeugentüchtigkeit des mutmaßlichen Opfers eingestellt.
Das vorliegende Verfahren ist auf die Anregung des früheren Bevollmächtigten des Vaters im Schreiben vom 24.10.2019 mit richterlicher Verfügung vom 06.12.2019 zwecks Überprüfung einer etwaigen Kindeswohlgefährdung eingeleitet worden. Das Jugendamt hat mit Schreiben vom 19.12.2019 eine ärztliche Stellungnahme der damaligen behandelnden Kinderpsychiaterin Frau Dr. B.-K. vom 12.11.2019 vorgelegt, nach der diese eine deutliche psychosoziale Belastung J. durch die Begleitumstände des Umgangs sah, insbesondere aufgrund der im Rahmen der Übergabesituationen erlebten extremen Verunsicherungen und Spannungen sowie des hochaktivierten und ängstlichen Verhaltens der Mutter, welches dem Kind eine Gefahr signalisiere. Nach persönlicher Anhörung der Beteiligten hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 11.02.2020 die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung einer etwaigen Kindeswohlgefährdung im mütterlichen und väterlichen Haushalt sowie zu der Frage angeordnet, ob der Trennung des Kindes von der elterlichen Familie durch ambulante öffentliche Hilfen begegnet werden könne. Nachdem das am 16.03.2021 erstellte Gutachten durch das Gericht als unbrauchbar bewertet worden war, ist mit Beschluss vom 15.10.2021 ein weiteres Gutachten in Auftrag gegeben worden. Die Sachverständige Dr. K. hat ihr schriftliches Gutachten unter dem 01.11.2022 vorgelegt. Darin schätzt sie beide Elternteile als erziehungsfähig ein und kommt u. a. zu dem Ergebnis, ein Gefährdungsmoment für J. liege insoweit vor, als sie eine nicht ihren Fähigkeiten entsprechende Schule besuche und außerdem während des Schulbesuchs eng durch ihre Mutter begleitet werde. Ein Wechsel in den Haushalt des Vaters würde nach ihrer Einschätzung jedoch zu einer noch größeren Kindeswohlgefährdung führen, da J. niemals verstehen könnte, warum sie aus ihrem Zuhause, in dem sie sich offensichtlich wohlfühle, gerissen würde. Um zu erreichen, dass sich die Lage zwischen den Eltern entspanne und dadurch für J. normalisiere, hat sie die Durchführung einer stationären Familien-Rehabilitation sowie das Hinwirken auf einen begleiteten Umgang vorgeschlagen.
In dem parallel geführten Umgangsverfahren zum Az. 4 F 806/22 UG haben die Beteiligten im Termin vom 06.07.2023 eine Vereinbarung getroffen, nach der eine Umgangsanbahnung unter Vermittlung eines Umgangsbegleiters erfolgen sollte mit der Perspektive eines Übergangs zu einem begleiteten Umgang.
Im vorliegenden Verfahren hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 27.10.2023 von der Anordnung kinderschutzrechtlicher Maßnahmen abgesehen. Zur Begründung hat es - gestützt auf das Gutachten der Sachverständigen Dr. K. - ausgeführt, das geistige und seelische Wohl von J. sei zwar nachhaltig gefährdet, zum einen wegen ...