Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für eine bußgeldbewehrte Geschwindigkeitsüberschreitung auf einem durch das Dauerlichtzeichen "rote gekreuzte Schrägbalken" gesperrten Fahrstreifen
Leitsatz (amtlich)
Eine Geschwindigkeitsbeschränkung (§ 41 Abs 1 StVO i.V.m. Zeichen 274 der Anlage 2), die lediglich für die linke Fahrspur angeordnet ist, regelt die zulässige Geschwindigkeit nicht auf den benachbarten Fahrspuren, für die ein Fahrstreifenbenutzungsverbot im Sinne des § 37 Abs 3 S 2 StVO ("rote gekreuzte Schrägbalken") gilt.
Normenkette
StVG § 24; StVO § 37 Abs. 3 S. 2, § 41 Abs. 1 Anl. 2 Zeichen 274, § 49 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
AG Helmstedt (Entscheidung vom 10.12.2013) |
Tenor
Die Sache wird dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Helmstedt vom 10. Dezember 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Helmstedt zurückverwiesen.
Gründe
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
I.
Durch das angefochtene Urteil ist der Betroffene wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung in Tateinheit mit vorsätzlicher Missachtung des Dauerlichtzeichens "rote gekreuzte Schrägbalken" mit einer Geldbuße von 260,- € belegt worden. Nach den Urteilsfeststellungen befuhr der Betroffene am 16. März 2013 um 23.15 Uhr mit einem nicht näher beschriebenen Lastkraftwagen die Bundesautobahn A 2 in Fahrtrichtung Dortmund. Er passierte dort (Kilometer 155,810) auf der mittleren Fahrspur mit einer Geschwindigkeit von 83 km/h die Drucksensoren der Geschwindigkeitsmessanlage (Traffipax Traffistar S 330). Die Schilderbrücke, die sich 207 Meter vor den Drucksensoren der Messanlage befindet, begrenzte die zulässige Geschwindigkeit zur Tatzeit auf dem linken Fahrstreifen durch Verkehrszeichen 274 auf 60 km/h. Über der mittleren und der rechten Fahrspur zeigte die Brücke hingegen "rote gekreuzte Schrägbalken".
Gegen dieses Urteil hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt und diese mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet. Er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Helmstedt zurückzuverweisen.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt ebenfalls Aufhebung und Zurückverweisung.
II.
Die Sache ist gemäß § 80a Abs.3 S.1 OWiG zur Fortbildung des Rechts auf den Senat zu übertragen. Die entscheidungserhebliche Frage, ob eine Geschwindigkeitsbeschränkung (§ 41 Abs. 1 StVO i. V. m. Zeichen 274 der Anlage 2), die lediglich für die linke Fahrspur angeordnet ist, auch auf den Fahrspuren zu beachten ist, für die ein Fahrstreifenbenutzungsverbot im Sinne des § 37 Abs. 3 S. 2 StVO ("rote gekreuzte Schrägbalken") gilt, ist bisher in der Rechtsprechung nicht geklärt. Die Übertragung der Sache auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern ist eine Entscheidung des Berichterstatters als Einzelrichter.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat mit der erhobenen Sachrüge Erfolg.
Dem Betroffenen ist neben dem nach §§ 24 Abs. 1 StVG, 49 Abs.3 S. 2 StVO bußgeldbewehrten Verstoß gegen das Fahrstreifenbenutzungsverbot des § 37 Abs. 3 S. 2 StVO kein Verstoß gegen §§ 24 Abs. 1 StVG, 41 Abs. 1 StVO i. V. m. Zeichen 274 der Anlage 2 vorzuwerfen, weil auf der mittleren Fahrspur, die der Betroffene nach den Urteilsfeststellungen benutzte, keine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h angeordnet war. Das Verkehrszeichen 274 bezog sich, wie dies den VwV zu § 41 (dort Rn. 3) entspricht, ausdrücklich nur auf den linken Fahrstreifen.
Diese Bewertung des Senats beruht auf dem Analogieverbot (vgl. hierzu: Gürtler in Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 3 Rn. 6) und führt nicht zu Verfolgungslücken. Vielmehr ist der Bußgeldrahmen bei einem Verstoß gegen das Fahrstreifenbenutzungsverbot ebenfalls § 24 Abs. 2 StVG (bei fahrlässiger Begehung gemindert nach § 17 Abs. 2 OWiG) zu entnehmen, so dass die jeweiligen Betroffenen, denen ein Verstoß gegen §§ 24 Abs. 1 StVG, 49 Abs.3 S. 2 StVO, § 37 Abs. 3 S. 2 StVO vorzuwerfen ist, mindestens ebenso hart bestraft werden können wie jene, die wegen Geschwindigkeitsüberschreitung zu verurteilen sind. § 25 StVG ermöglicht zudem, allein wegen eines Verstoßes gegen §§ 24 Abs. 1 StVG, 49 Abs.3 S. 2 StVO, § 37 Abs. 3 S. 2 StVO ein Fahrverbot zu verhängen.
Die Annahme einer Geschwindigkeitsbeschränkung für den mittleren Fahrstreifen ergibt sich insbesondere auch nicht aus einem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 6. Mai 1981 (4 StR 530/79, juris). Durch diesen Beschluss ist zwar die Standspur, deren Benutzung ebenfalls regelmäßig verboten ist, der Fahrbahn zugeordnet (Rn. 9 ff.) und klargestellt worden, dass das Zeichen 274 auch auf diesem gilt (Rn. 21). Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs greift aber deshalb nicht ein, weil die Geschwindigkeitsbegrenzung durch Zeichen 274 vorliegend nur eingeschränkt, nämlich speziell für die linke Fa...