Entscheidungsstichwort (Thema)
Die fünfjährige Ausschlussfrist des § 21 Abs. 3 Satz 1 VVG entfällt nur beim objektiven Eintritt des Versicherungsfalls
Leitsatz (amtlich)
Die fünfjährige Ausschlussfrist für die Geltendmachung der Rechte des Versicherers wegen einer Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers nach § 21 Abs. 3 Satz 1 VVG entfällt nur dann, wenn während des Fristlaufs die versicherungsmäßigen Bedingungen für die Leistungspflicht des Versicherers eintreten. Allein die Geltendmachung eines Leistungsanspruchs durch den Versicherungsnehmer für einen in diese Zeit fallenden vermeintlichen Versicherungsfall genügt hierfür nicht.
Normenkette
VVG § 21 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
LG Braunschweig (Urteil vom 24.06.2014; Aktenzeichen 7 O 1160/13) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Braunschweig vom 24.6.2014 wird zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung im angefochtenen Urteil wird dahingehend abgeändert, dass von den Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz die Klägerin 48 %, die Beklagte 52 % trägt.
Die Kosten des Berufungsrechtszug trägt die Beklagte.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des LG Braunschweig sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus diesem Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug noch um das Fortbestehen der Berufsunfähigkeitsversicherung der Klägerin bei der Beklagten.
Die Klägerin stellte unter dem 20.09.2004 einen Antrag auf Abschluss der N. Berufsunfähigkeitsversicherung nach dem Tarif IBU 2200C bei der Beklagten (Anlage B1, AB Beklagte). Unter dem 02.05.2005 erteilte die Beklagte der Klägerin einen Versicherungsschein für die Berufsunfähigkeitsversicherung mit der Nummer L. (Anlage B2, AB Beklagte), die zum 01.02.2005 begann und eine Jahresrente in Höhe von 12.000.- EUR vorsah für den Fall vollständiger Berufsunfähigkeit der Klägerin. Auf die in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die N. Berufsunfähigkeitsversicherung nach Tarif IBU 2200C niedergelegten Einzelheiten der Versicherung wird ergänzend Bezug genommen (Anlage B3, AB Beklagte).
Die Klägerin begab sich am 17.8.2005 in die Behandlung der Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapie Dr. H., die eine mittelschwere depressive Episode und Krisensituation diagnostizierte. Die Behandlung bei Dr. H. dauerte bis zum 18.10.2008.
In dem Zeitraum zwischen dem 18.11.2009 und dem 27.07.2011 war die Klägerin aufgrund einer Depression arbeitsunfähig und befand sich in teils ambulanter, teils stationärer psychiatrischer und psychologischer Behandlung in verschiedenen Einrichtungen.
Mit einem bei der Beklagten am 08.04.2011 eingegangenen Schreiben (Anlage B4, AB Beklagte) beantragte die Klägerin Leistungen wegen Berufsunfähigkeit für den Zeitraum ab 18.11.2009. Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 07.06.2011 (Anlage B6, AB Beklagte) mit, dass sie bei Antragsunterzeichnung am 20.09.2004 nicht pflichtgemäß über den tatsächlichen Gesundheitszustand bzw. über frühere Erkrankungen/Beschwerden der Klägerin informiert worden sei. Die Klägerin habe gegenüber Ärzten der P.-Klinik angegeben, bereits vor dem Jahr 2000 an Depressionen gelitten zu haben. Seit einem Umzug im Jahr 2004 sei es nach den eigenen Angaben der Klägerin mit ihr psychisch bergab gegangen, die depressiven Symptome seien immer stärker geworden. Diese Gesundheitsstörung sei nicht im Versicherungsantrag angegeben worden, obwohl entsprechende Fragen gestellt worden seien. Da eine risikoerhebliche Krankheit verschwiegen worden sei, liege eine vorsätzliche, mindestens aber grob fahrlässige Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht vor. Die Beklagte erklärte daher den Rücktritt vom Vertrag.
Die Klägerin hat behauptet, sie habe bis zum Jahr 2004 noch keinerlei Depressionen gehabt, die Anlass dazu gegeben hätten, von einer mitteilungsbedürftigen Erkrankung zu sprechen. Die Klägerin habe auch im Jahr 2004 gegebenenfalls schon einmal Stimmungstiefs gehabt, die von ihr allerdings nicht weiter bewertet worden seien. Erst im Rahmen der später, weit nach Abschluss des Vertrages erfolgten Therapien sei überlegt worden, ob bereits im Jahr 2004 erste Ansätze zu der heutigen Erkrankung zu sehen seien. Selbst wenn bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses depressive Symptome bei der Klägerin vorgelegen hätten, habe sie solche Symptome zumindest nicht gekannt. Den vorgelegten Arztberichten sei nichts anderes zu entnehmen. Die Ausführungen in dem Bericht der P.-Klinik für die Deutsche Rentenversicherung seien nicht richtig und nicht vollständig. Die Klägerin habe bei der Eigenanamnese nicht angegeben, dass es bei ihr mit dem Umzug in eine fremde Stadt im Jahr 2004 psychisch bergab gegangen sei. Der Klägerin sei es zu diesem Zeitpunkt gut gegangen. Die Beschwerden und Stimmungstiefs der Klägerin entwickelten sich erst nach Vert...