Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmissbräuchlicher Widerruf von Verbraucherdarlehen zur Kfz-Finanzierung bei Ausübung des verbrieften Rückgaberechts
Leitsatz (amtlich)
1. Soweit in der Widerrufsinformation entsprechend den Vorgaben der Musterwiderrufsinformation auf § 492 Abs. 2 BGB verwiesen wird, genügt dies den gesetzlichen Anforderungen. Eine anderweitige richtlinienkonforme Auslegung von Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB a. F. und der Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und 12 Abs. 1 EGBGB a. F. wäre eine Auslegung contra legem. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob für die Widerrufsinformation die Gesetzlichkeitsfiktion eingreift. Der Darlehensgeber muss nicht genauer formulieren als der Gesetzgeber selbst.
2. Der Verbraucher, der trotz Widerruf des zur Finanzierung des Kfz-Kaufvertrags geschlossenen Verbraucherdarlehens das ihm von der Verkäuferin gewährte Rückgaberecht ausübt, setzt sich in einen unauflösbaren Selbstwiderspruch, so dass die Ausübung des Widerrufsrechts als rechtsmissbräuchlich zu werten ist.
Normenkette
BGB §§ 242, 314, 355, 356b Abs. 1, §§ 357-358, 492 Abs. 2, § 495 Abs. 1, § 500 Abs. 1 a.F., § 502 Abs. 1 S. 2 a.F.; EGBGB Art. 247 §§ 3, 6-7, 13
Verfahrensgang
LG Braunschweig (Urteil vom 17.06.2019; Aktenzeichen 5 O 289/19 (111)) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 17.06.2019 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 17.06.2019 sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf eine Wertstufe bis 16.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs eines zur Finanzierung eines Kraftfahrzeugkaufs geschlossenen Verbraucherdarlehensvertrages.
Der Kläger erwarb einen Pkw P. H. B. Technology 1,4 TDI 77 kW zu einem Preis in Höhe von 24.310,- EUR zu privaten Zwecken. Mit der Verkäuferin, der O. & H. GmbH, vereinbarte er ein verbrieftes Rückgaberecht (vgl. Anlage B 21).
Er beantragte zur Finanzierung des Kaufpreises unter dem 19.12.2014 bei der Beklagten die Gewährung eines Darlehens über einen Nettodarlehensbetrag von 24.310,- EUR zu einem effektiven Jahreszinssatz von 2,9% (Anlage KGR 1/ Anlage B 4), das in 48 Monatsraten und einer Schlussrate zurückgeführt werden sollte. Dem Darlehensantrag waren die Europäischen Standardinformationen für Verbraucherkredite (Anlage B 6), die Darlehensbedingungen sowie nachfolgende Widerrufsinformation (vgl. Anlage KGR 1/Anlage B 4) beigefügt:
Die Beklagte nahm den Darlehensantrag unter dem 19.12.2014 an (vgl. B 5) und zahlte die Darlehensvaluta an die Verkäuferin aus.
Das Eigentum an dem Fahrzeug wurde zur Sicherheit auf die Beklagte übertragen.
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Mit Schreiben vom 11.04.2018 (Anlage KGR 2) erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung und forderte die Beklagte auf, die von ihm erbrachten Tilgungsleistungen bis spätestens zum 26.04.2018 auf sein Konto zu überweisen. Die Beklagte akzeptierte den Widerruf nicht.
Mit der zunächst vor dem Landgericht Bonn erhobenen Klage begehrt der Kläger die Rückzahlung der von ihm an die Beklagte geleisteten Raten abzüglich marktüblicher Zinsen nebst Verzugszinsen sowie mittlerweile die Feststellung, dass sich der von ihm ursprünglich gestellte Antrag auf Feststellung, dass die Beklagte aus dem Darlehensvertrag keinen Anspruch mehr auf den Vertragszins und die vereinbarte Tilgung hat, erledigt hat.
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Widerrufsfrist bis zu dem von ihm erklärten Widerruf nicht zu laufen begonnen habe, weil die ihm von der Beklagten erteilte Widerrufsinformation fehlerhaft sei und ihm keine Vertragsurkunde ausgehändigt worden sei, die sämtliche Pflichtangaben nach § 492 BGB enthalte.
Das Landgericht Bonn hat sich mit Beschluss vom 15.01.2019 (Bl. 257 d. A.) für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf den Hilfsantrag des Klägers an das Landgericht Braunschweig verwiesen.
Der Kläger hat am 16.03.2019 von seinem verbrieften Rückgaberecht Gebrauch gemacht und das Fahrzeug an die Verkäuferin zu einem Preis von 9.658,08 EUR veräußert, der direkt von der Verkäuferin an die Beklagte überwiesen worden ist.
Das Landgericht Braunschweig hat die Klage mit Urteil vom 17.06.2019 (Bl. 336 ff. d. A.) abgewiesen. Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts, insbesondere die erstinstanzlich gestellten Anträge, wird auf die Ausführungen im landgerichtlichen Urteil verwiesen.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass dem Kläger kein Anspruch auf Rückzahlung der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen zustehe, weil sich der zwischen den Parteien geschlossene Darlehensvertrag durch den Widerruf des Klägers nicht in ein Rückgewährschuldverhältnis verwandelt habe. Bei Erklärung des Widerrufs des Verbraucherdarlehensvertrags im April 2018 sei die Widerrufsfrist ...