Leitsatz (amtlich)
1. Hat der bei einem Unfall Verletzte vom Unfallverursacher Schmerzensgeld erhalten, ist diese Zahlung auf den Schmerzensgeldanspruch gegen einen Arzt, der die Unfallverletzung behandelt hat und dem dabei Behandlungsfehler unterlaufen sind, als Erfüllung anzurechnen; Arzt und Unfallverursacher sind in einem solchen Fall Gesamtschuldner.
2. Weigert sich der Patient, eine notwendige Behandlungsmaßnahme an sich vornehmen zu lassen, obwohl er auf die Notwendigkeit hingewiesen worden ist, kann die Verantwortung des Arztes für die Folgen der Unterlassung entfallen; der Kausalzusammenhang zu einem etwaigen vorangegangenen Behandlungsfehler kann unterbrochen sein.
Verfahrensgang
LG Braunschweig (Aktenzeichen 4 O 11/01) |
Tatbestand
Die Klägerin war bei einem Verkehrsunfall als Beifahrerin neben vielen anderen Verletzungen u.a. auch durch Glassplitter in der linken Hand verletzt worden. Bei der Notfallbehandlung in der Klinik der Beklagten wurden nicht sämtliche Splitter entfernt. Die Klägerin führt Funktionsbeeinträchtigungen der linken Hand auf in der Hand verbliebene Glassplitter zurück.
Das LG hat die Klage abgewiesen, da nach dem eingeholten Gutachten ein Ursachenzusammenhang zwischen einem etwaigen Behandlungsfehler und in der Hand verbliebenen Glassplittern nicht nachgewiesen sei.
Die Klägerin macht geltend, dass sowohl der Sachverständige als auch das LG auf den Befund im F.-Stift, dass die Nervenbahnen des kleinen Fingers von den Glassplittern angegriffen gewesen seien, überhaupt nicht eingegangen seien. Auch mit den weiteren Kritikpunkten der Klägerin habe sich das LG nicht hinreichend auseinandergesetzt. Außerdem sei die Klägerin, wie unter Beweisantritt vorgetragen sei, für eine Zeit von etwa 6 Stunden in einem Operationssaal verblieben und offenbar vergessen worden; auch dieses Vorbringen habe das LG offenbar nicht zur Kenntnis genommen.
Die Beklagte tritt der Berufung entgegen und verweist darauf, dass nach den vorliegenden Gutachten die Entfernung sämtlicher Glassplitter ohne Nachteile für die Klägerin auf einen operationstaktisch günstigeren Zeitpunkt einige Tage nach dem Unfall habe verschoben werden können. Zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin die Entfernung der Glassplitter jedoch abgelehnt.
Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben.
Entscheidungsgründe
... Die Berufung ist unbegründet, weil der Klägerin gegen die Beklagte weder Schadensersatz noch Schmerzensgeldansprüche zustehen.
1. Der erhobene Schmerzensgeldanspruch ist bereits deswegen unbegründet, weil die Klägerin, wie sie auf entsprechender Anfrage im Berufungsverfahren mitgeteilt hat, wegen des Unfalls, auf den ihre Verletzungen zurückzuführen sind, von der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners ca. 11.300 Euro Schmerzensgeld erhalten hat. Die Erfüllung des Schmerzensgeldanspruchs durch die Haftpflichtversicherung wirkte auch zugunsten der Beklagten (§ 422 BGB), da die Beklagte - für den Fall ihrer Haftung - und der Unfallschädiger, soweit sie nebeneinander für einen Körperschaden verantwortlich sind, nach § 840 BGB Gesamtschuldner wären (OLG Düsseldorf VersR 2002, 54; Palandt/Sprau, BGB, 63. Aufl. 2004, § 840 Rz. 2). Die Haftung des Unfallverursachers erfasst auch Schäden, die auf einen ärztlichen Behandlungsfehler zurückzuführen sind (Palandt/Heinrichs, vor § 249 Rz. 73).
Nach Auffassung des Senats sind durch die Schmerzensgeldzahlung sämtliche von der Klägerin vorgetragenen Unfallschäden einschl. der durch zurückgebliebene Glassplitter verursachten Beeinträchtigungen angemessen ausgeglichen. Für die Zahlung eines zusätzlichen Schmerzensgeldes durch die Beklagte sieht der Senat keine Grundlage.
Soweit es um die Behauptung geht, die Klägerin sei über 6 Stunden lang ohne Behandlung in einem Operationssaal verblieben und dort vergessen worden - ein von der Klägerin in der Berufungsverhandlung nochmals hervorgehobenes Vorbringen -, so mag es sein, dass der Unfallverursacher hierfür nicht mehr mitverantwortlich gemacht werden könnte, weil der Kausalzusammenhang insoweit unterbrochen wäre. In den Beeinträchtigungen der Klägerin durch das unterstellte sechsstündige Warten vermag der Senat allerdings keinen Körperschaden zu erkennen, der durch ein Schmerzensgeld ausgeglichen werden könnte. Dass die anzunehmenden seelischen Belastungen Krankheitswert erreichen, wird nicht behauptet und ist nicht dargelegt.
Im Übrigen fehlt es aber, wie unten ausgeführt wird, ohnehin am Nachweis der haftungsbegründenden Kausalität, so dass auch aus diesem Grunde ein Schmerzensgeldanspruch zu versagen ist.
2. Die Berufung ist auch hinsichtlich des Feststellungsantrages unbegründet. Die Berufung hat zwar Recht damit, dass das LG auf mehrere von der Klägerin vorgetragene Gesichtspunkte nicht eingegangen ist. Das war aber auch nicht erforderlich, weil das LG zutreffend die haftungsbegründende Kausalität nicht als nachgewiesen angesehen hat und es damit auf die Frage etwaiger Behandlungsfehler nicht mehr ankam.
Selbst wenn man nämlich zugunsten der Kl...