Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertragung der Räum- und Streupflicht für Gehwege im Bereich einer Krankenhauszufahrt
Leitsatz (amtlich)
Die Übertragung der Räum- und Streupflicht für einen Gehweg durch gemeindliche Satzung gilt auch dort, wo der Gehweg durch die Zufahrt zu dem Gelände eines Krankenhaus überquert wird (Gehwegüberfahrt).
Normenkette
GG Art. 34; BGB § 839 Abs. 1 S. 1; StrG ND § 20 Abs. 1, § 52 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1
Verfahrensgang
LG Braunschweig (Urteil vom 16.12.2014; Aktenzeichen 7 O 119/14) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Braunschweig vom 16.12.2014 abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Braunschweig vom 16.12.2014 wird zurückgewiesen.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 6.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte aus dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung einen Schmerzensgeldanspruch nach einem Glatteisunfall geltend.
Die Klägerin kam als Fußgängerin am 14.1.2013 gegen 13:35 Uhr auf dem Weg zur Arbeit auf der K. Straße vor dem Gelände ihrer Arbeitgeberin, der Klinikum S. GmbH, zu Fall. Dabei ist zwischen den Parteien streitig, ob sich dieser Sturz in der nördlichen Zufahrt zum Klinikgelände oder an anderer Stelle auf dem Gehweg vor dem Klinikgelände ereignete.
Die Klägerin behauptet, sie sei beim Überqueren der Zufahrt am Ende der dort angelegten und ampelgesicherten Fußgängerfurt auf schneebedecktem Glatteis ausgerutscht und gestürzt. Sie ist der Ansicht, für diesen Straßenbereich sei die Beklagte räum- und streupflichtig, die wegen eines Verstoßes gegen diese Pflicht zur Zahlung eines Schmerzensgeldes für die von der Klägerin behaupteten unfallbedingten Verletzungsfolgen verpflichtet sei.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen und sie von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 546,69 EUR freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Ansicht, sie treffe für die von der Klägerin behauptete Unfallstelle keine Verkehrssicherungspflicht, da sie in ihrer Straßenreinigungssatzung die Räum-und Streupflicht für die Gehwege an der K. Straße auf die Anlieger der angrenzenden Grundstücke übertragen habe und dies auch für die besagte Zufahrt zum Klinikum gelte, die nach Behauptung der Beklagten zum Unfallzeitpunkt nicht mehr als solche genutzt worden sei. Sie hat außerdem gemeint, einer etwaigen Räum- und Streupflicht dadurch Genüge getan zu haben, dass am frühen Morgen des Unfalltags ein Streufahrzeug der städtischen Reinigungsbetriebe auch diesen Bereich abgestreut habe, was angesichts der untergeordneten Verkehrsbedeutung des Fußgängerüberwegs ausreiche. Schließlich hat sich die Beklagte auf ein überwiegendes, ihre Haftung ausschließendes Mitverschulden der Klägerin berufen.
Wegen des weitergehenden erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das LG hat die Klage in dem angefochtenen Grundurteil unter Berücksichtigung eines hälftigen Mitverschuldens der Klägerin für gerechtfertigt gehalten. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, das Sturzereignis stehe nach dem Ergebnis der Anhörung der Klägerin, ihrem anschließenden Verhalten und der ergänzenden Angaben der Zeugin S. zur Glätte am beschriebenen Unfallort mit lebenspraktischer Gewissheit fest. Die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Sie sei für die Situation mit der mit Ampeln gesicherten Fußgängerüberquerung der öffentlichen Straße, die zum Gelände des Klinikums führe, verantwortlich. Die Übertragung der Räum- und Streupflicht auf die Anlieger erfasse diesen Straßenbereich nicht. Trotz ihrer Räumungspflicht habe die Beklagte konkret gar nichts getan. Sie treffe bereits ein Organisationsfehler, da der Streuplan es versäume, den Einsatz einer Kolonne vorzusehen, die von Hand die Überquerung der Straße abstreue. Die Verkehrswichtigkeit und Gefährlichkeit der Unfallstelle habe die Beklagte bereits mit der Ampelanlage bejaht. Dass die Zufahrt zum Klinikum weiterhin als solche genutzt worden sei, ergebe sich aus der Aussage der vernommenen Zeugin. Die Klägerin treffe ein Mitverschulden, da ihr die Wegstrecke und die Wetterlage bekannt gewesen seien, so dass sie sich mit besonderer Vorsicht und Umsicht hätte bewegen müssen; hätte sie sich so verhalten, wäre sie nicht gestürzt, wie schon daraus folge, dass ansonsten mehrere Sturzopfer für denselben Zeitraum an derselben Stelle zu beklagen gewesen wären, wozu jedoch nichts berichtet sei.
Gegen das der Beklagten am 29.12.2014 zugestellte Urteil hat sie mit einem am 22.1.2015 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist um einen Monat mit einem am...