Verfahrensgang
LG Göttingen (Aktenzeichen 4 O 172/19) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Schlussurteil des Landgerichts Göttingen vom 19.11.2019 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsrechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Dieses und das Urteil des Landgerichts Göttingen sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Berufungsstreitwert wird auf die Wertstufe bis 3.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagten aus abgetretenem Recht als Gesamtschuldner aus einem Verkehrsunfall vom 25.08.2016, bei dem ihr Mitglied, der Beifahrer des Unfallfahrers, verletzt wurde, in Anspruch. Die Haftung ist dem Grunde nach unstreitig. Gestritten wird um die Haftungsquote. Das Landgericht hat einen Haftungsanteil der Klägerin in Höhe von einem Drittel angenommen. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Ziel einer vollständigen Haftung der Beklagten weiter.
Von der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige, insbesondere gemäß §§ 517, 520 Abs. 2 S. 1 ZPO form- und fristgerecht eingelegte Berufung, ist zulässig, aber unbegründet. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht eine Mitverschulden begründende Selbstgefährdung des Beifahrers, des Zeugen L., angenommen und dessen Haftungsanteil zutreffend mit einem Drittel bemessen. Da das Landgericht keine Feststellungen hinsichtlich der Schadensursächlichkeit des Verhaltens des Zeugen L. getroffen hat, wurde hierzu der Beklagte zu 2 persönlich angehört und der Zeuge L. vernommen.
1. Das Landgericht geht zutreffend davon aus, dass der Fahrer für die Führung seines Fahrzeugs die alleinige Verantwortung trägt und daher von einem Fahrgast nicht verlangt werden kann, den Fahrer zu einer langsameren Fahrweise aufzufordern. Es führt ferner zu Recht aus, dass es Ausnahmen von diesem Grundsatz in Fällen der sog. Selbstgefährdung gibt. Als Beispiele hierfür nennt das Landgericht die für den Fahrgast erkennbare alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Fahrers, eine erkennbare Übermüdung, eine bekannte fehlende Fahrerlaubnis des Fahrers oder bekannte technische Mängel des Fahrzeugs. Zu Recht geht das Landgericht auch davon aus, dass vorliegend eine vergleichbare Konstellation vorliegt. So hat der BGH schon im Jahre 1955 festgestellt, dass es einem Fahrgast zuzumuten ist, seine Bedenken zu erkennen zu geben, wenn die Fahrweise eines Kraftfahrzeugführers ersichtlich zu einer Gefährdung des Fahrgastes führt, und ein mitwirkendes Verschulden vorliegen kann, wenn er dieses unterlässt (BGH VersR 1955, S. 309, 310).
2. Im vorliegenden Fall ist von einer solchen Fahrweise auszugehen. Es ist unstreitig, dass der Beklagte zu 2 mit überhöhter Geschwindigkeit den Waldweg befuhr und es bereits vor dem Unfall zu zwei gefährlichen Vorfällen mit entgegenkommenden Fahrzeugen gekommen war.
3. Durch diese beiden Vorfälle musste dem Zeugen L. deutlich geworden sein, dass die überhöhte Geschwindigkeit auch ihn selbst in Gefahr brachte. Spätestens in diesem Zeitpunkt hätte er seine Bedenken äußern und den Beklagten zu 2 zu einer langsameren Fahrweise oder zum Anhalten auffordern müssen. Dass er kurz vor dem Unfall den Beklagten zu 2 noch zum Bremsen aufforderte, reichte jedenfalls nicht aus. Wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat, kam dieses Aufforderung viel zu spät und war nicht mehr geeignet, die Gefahr zu beenden.
4. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Zeuge L. darauf vertraut habe, der Beklagte zu 2 werde trotz der überhöhten Geschwindigkeit die Kontrolle über das Fahrzeug behalten. Zum einen konnte ein solches Vertrauen nicht daraus resultieren, dass der Zeuge L. zuvor schon häufiger mit dem Beklagten zu 2 mitgefahren war. Denn hierdurch war dem Zeugen L. zwar bekannt, dass der Beklagte zu 2 häufiger beschleunigte, um sodann wieder abzubremsen. Nach Angaben des Zeugen L. in erster Instanz erfolgten diese Beschleunigungsvorgänge aber nur bis zur zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Im vorliegenden Fall beschleunigte der Beklagte zu 2 jedoch über die zulässige Höchstgeschwindigkeit hinaus und verursachte darüber hinaus zwei Beinaheunfälle. Zum anderen bedeutet Vertrauen in die Kontrollierbarkeit des Fahrzeugs nicht, dass sich der Zeuge L. nicht der Risiken, die mit der Fahrweise der Beklagten zu 2 verbunden waren, bewusst gewesen wäre. Im Übrigen hat der Zeuge L. selbst in erster Instanz ausgesagt, dass er, als ihnen die beiden Autos entgegengekommen seien, das Gefühl gehabt habe, es könnte eng werden und schon an dieser Stelle ein Unfall hätte passieren können.
5. Das Mitglied der Klägerin war auch gemäß § 828 Abs. 3 BGB verantwortlich. Zurechnungsfähigkeit ist gegeben, wenn der Minderjährige die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat, das heißt nach seiner individuellen Verstandesentwicklung fähig ist, das Gefährliche seines Verhaltens zu erkennen und sich dessen bewusst zu sein, dass er für die Folgen dieses Verhaltens zur Verant...