Entscheidungsstichwort (Thema)
Postsperre gem § 121 KO. Verletzung der informationellen Selbstbestimmung. Recht auf Geheimhaltung der persönlichen gesundheitlichen Daten. Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Allgemeininteresse an der Sicherstellung der Effektivität von Konkursverfahren durch die Zulassung der Postsperre. Verzögerung der Offenbarung der Vermögensverhältnisse
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Anordnung einer Post- und Telegraphensperre über das Vermögen eines Arztes mit der gleichzeitigen Bestimmung, eingehende Sendungen dem Konkursverwalter auszuhändigen, müssen das Geheimhaltungsinteresse an den verfassungsrechtlich geschützten Daten der ehemaligen Patienten des Gemeinschuldners, das Recht des Gemeinschuldners auf Wahrung des Brief- und Postgeheimnisses und das Allgemeininteresse an der Sicherstellung der Effektiviät von Konkursverfahren auf ihre Verhältnismäßigkeit abgewogen werden.
Normenkette
KO § 121; GG Art. 1-2, 10 Abs. 2 S. 1; RPflG § 11 Abs. 2 S. 3; ZPO § 568 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
LG Bremen (Beschluss vom 24.02.1992; Aktenzeichen 40 N 7/92) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde des Gemeinschuldners, gegen den Beschluß des Landgerichts Bremen, 9. Zivilkammer, vom 24. Februar 1992 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Tatbestand
I.
Das Amtsgericht Bremen – Konkursabteilung – hat mit Rechtspflegerbeschluß vom 07.02.1992 gegen den Beschwerdeführer aus Anlaß der Eröffnung des Konkursverfahrens über sein Vermögen eine Post- und Telegrafensperre angeordnet und zugleich bestimmt, daß eingehende Sendungen dem Konkursverwalter auszuhändigen sind. Hiergegen hat der Gemeinschuldner, der bis zum 31.12.1991 eine inzwischen seinem Nachfolger überlassene Praxis als Facharzt für Orthopädie betrieb, am 11.02.1992 „Beschwerde” (richtig: Erinnerung gemäß § 11 Abs. 1 RPflG) mit der Begründung eingelegt, die von der Postsperre betroffene Post bestehe zum überwiegenden Teil aus Praxispost, nämlich aus Krankenberichten, Arztbriefen, Befunden u.ä.. Es sei nicht gewährleistet, daß der Konkursverwalter nicht auch insoweit Kenntnis von dem Inhalt der Post erhalte. Vielmehr sei davon auszugehen, daß er zur Unterscheidung der für das Konkursverfahren relevanten von der sonstigen Post auch von der seine, des Gemeinschuldners, bisherige ärztliche Tätigkeit betreffenden Post inhaltlich Kenntnis nehme. Damit würden aber die durch das ärztliche Berufsgeheimnis gesetzlich geschützten und entsprechend auch vor der Preisgabe an den Konkursverwalter zu schützenden berechtigten Interessen seiner (ehemaligen) Patienten an der Geheimhaltung ihrer persönlichen Daten verletzt. Gegenüber dem hierdurch beeinträchtigten Recht der Patienten auf informationelle Selbstbestimmung müsse das dagegen abzuwägende Interesse der Gläubigerschaft an der vollständigen Erfassung seines Vermögens mit Hilfe der Postkontrolle zurücktreten. Da der für ihn, den Gemeinschuldner, eingehenden Post anhand der Äußerlichkeiten des Briefumschlages nicht eindeutig zu entnehmen sei, ob die Sendungen an ihn in seiner Eigenschaft als Arzt oder aber in seiner Eigenschaft als Vermögensträger gerichtet seien, bleibe praktisch wohl kein anderer weg, als die Postsperre insgesamt aufzuheben. Hilfsweise hat der Gemeinschuldner jedoch beantragt, die Postsperre dahingehend zu beschränken, daß die Post ihm in Anwesenheit des Konkursverwalters auszuhändigen sei.
Der Amtsrichter hat daraufhin in seinem an den Konkursverwalter gerichteten Schreiben vom 11.02.1992 diesen gebeten, mit Rücksicht auf den Datenschutz sicherzustellen, daß die Post lediglich von ihm, dem Konkursverwalter, persönlich geöffnet und wieder verschlossen werde. Bei Abwägung des Rechts des Gemeinschuldners auf Unverletzlichkeit des Berufsgeheimnisses und des Schutzes der Konkursgläubiger sei jedoch insbesondere aus den im Schreiben des Konkursverwalters vom 06.02.1992 genannten Gründen die Anordnung der Postsperre zwingend geboten. Mit dem Schreiben vom 06.02.1992 hatte der Konkursverwalter in seiner damaligen Eigenschaft als Sequester zu einer früheren Beschwerde des Gemeinschuldners gegen die bereits im Sequestrationsverfahren angeordnete Postsperre Stellung genommen. Eine Durchschrift seines Schreibens vom 11.02.1992 übermittelte der Amtsrichter an den Gemeinschuldner, bevor er dem Landgericht die Akten zur Entscheidung über die Erinnerung übersandte.
Das Landgericht wies mit Beschluß vom 24.02.1992 das Rechtsmittel des Gemeinschuldners mit der Begründung zurück, die denkbaren Beeinträchtigungen der Patienteninteressen seien im Interesse einer geordneten Abwicklung des Konkursverfahrens unvermeidbar und hinzunehmen, da es dem Konkursverwalter anders nicht möglich sei, sich einen umfassenden und zutreffenden Überblick über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Gemeinschuldners und das Vorhandensein von Vermögensgegenständen und -ansprüchen zu verschaffen, wie der Konkursverwalter mit Schriftsatz vom 06.02.1992 im einzelnen auch für den konkreten Fall da...