Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für eine Entscheidung über die gemeinsame elterliche Sorge im vereinfachten Verfahren nach § 155a Abs. 3 FamFG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Über die gemeinsame elterliche Sorge gem. § 1626a Abs. 2 BGB kann nur dann im vereinfachten Verfahren nach § 155a Abs. 3 FamFG entschieden werden, wenn dem Gericht keine Gründe bekannt werden, die einer gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen könnten (§ 155a Abs. 4 FamFG). Diese Gründe können sich insbesondere auch aus dem Vortrag des Antragstellers ergeben.

2. Da § 155a Abs. 3 S. 1 FamFG die Anhörung des Kindes nicht ausschließt, ist auch im vereinfachten Verfahren regelmäßig zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine persönliche Anhörung des Kindes nach § 159 FamFG vorliegen.

 

Normenkette

BGB § 1626a Abs. 2; FamFG § 155a

 

Verfahrensgang

AG Bremen (Beschluss vom 24.02.2015; Aktenzeichen 62 F 92/15)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Bremen vom 24.2.2015 aufgehoben und das Verfahren zur Verhandlung und erneuten Entscheidung an das AG - Familiengericht - Bremen zurückverwiesen.

2. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kindesvater hat am 7.1.2015 einen Antrag auf gemeinsame elterliche Sorge für das Kind S., geb. am [...] 2008, nach §§ 1626a Abs. 2 BGB i.V.m. 155a FamFG gestellt. Dieser Antrag ist der Kindesmutter mit Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 4 Wochen zugestellt worden. Bis zum Ablauf der Stellungnahmefrist war eine Stellungnahme der Kindesmutter beim AG nicht eingegangen. Am 24.2.2015 hat das AG beschlossen, dem Antragsteller und der Antragsgegnerin die elterliche Sorge für S. gemeinsam zu übertragen. Dieser Beschluss ist von der Geschäftsstelle am 27.2.2015 ausgefertigt und abgesandt worden. Bereits am 24.2.2015 ist ein Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter beim AG Bremen eingegangen, mit dem sich die Kindesmutter insbesondere unter Verweis auf ein bereits im Jahre 2012 durchgeführtes Sorgerechtsverfahren zur Geschäftsnummer 62 F 639/12 SO gegen die gemeinsame elterliche Sorge wendet. Ausweislich eines Vermerks der zuständigen Richterin vom 26.2.2015 ist ihr die Stellungnahme der Kindesmutter am 26.2.2015 vorgelegt worden. Sie ist laut Vermerk davon ausgegangen, der Beschluss sei bereits erlassen; sie hat am 26.2.2015 die Abarbeitung ihrer Verfügung vom 24.2.2015 angeordnet.

Der Beschluss vom 24.2.2015 ist der Kindesmutter am 3.3.2015 zugestellt worden. Am 6.3.2015 ist ihre Beschwerde beim AG Bremen eingegangen, mit der sie sich gegen die gemeinsame Sorge beider Kindeseltern für Sebastian wendet.

Die Akte ist dem Senat zusammen mit der Akte zur Geschäftsnummer 62 F 639/12 SO vorgelegt worden. In dem vorgenannten Verfahren hatte der Kindesvater bereits am 21.2.2012 einen Antrag auf gemeinsame elterliche Sorge gestellt, diesen aber nach ausführlichen schriftlichen Erörterungen und einer mündlichen Anhörung der Beteiligten am 21.1.2013 wieder zurückgenommen.

II. Die statthafte (§ 58 FamFG), form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Kindesmutter ist zulässig und begründet. Sie führt nach einem entsprechenden schriftsätzlichen Antrag der Kindesmutter vom 31.3.2015 zur Zurückverweisung des Verfahrens an die erste Instanz.

Das AG - Familiengericht - Bremen ist im vorliegenden Fall zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine Sorgerechtsentscheidung gem. § 1626a BGB im vereinfachten Verfahren nach § 155a FamFG getroffen werden kann. Das Verfahren leidet an einem wesentlichen Mangel (vgl. auch OLG Karlsruhe FamRZ 2014, 1797; OLG Frankfurt FamRZ 2014, 852). Auf Antrag der Beschwerdeführerin ist das Verfahren daher zur Verhandlung und erneuten Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen (§ 69 Abs. 1 S. 3 FamFG).

Eine Entscheidung über die gemeinsame elterliche Sorge gem. § 1626a Abs. 2 BGB ist nur dann im vereinfachten schriftlichen Verfahren nach § 155a Abs. 3 FamFG möglich, wenn dem Gericht weder durch den Vortrag der Beteiligten noch auf sonstige Weise Gründe bekannt werden, die einer gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen könnten (§ 155a Abs. 4 FamFG).

Hier lagen dem AG mit der Stellungnahme der Kindesmutter am 24.2.2015 Gründe vor, die gegen ein Vorgehen im vereinfachten Verfahren sprechen. Die Kindesmutter hat ausführlich unter Hinweis auf zwei Gerichtsverfahren vor dem AG - Familiengericht - Bremen begründet, dass die gemeinsame elterliche Sorge aus ihrer Sicht dem Kindeswohl widersprechen würde. Diese am 24.2.2015 beim AG eingegangene Stellungnahme hätte auch noch berücksichtigt werden müssen. Der amtsgerichtliche Beschluss trägt zwar das Datum vom 24.2.2015. Das Beschlussdatum ist aber nicht mit dem Beschlusserlass identisch. Gemäß § 38 Abs. 3 S. 3 FamFG ist ein Beschluss, soweit er nicht durch Verlesen der Beschlussformel bekannt gegeben wird, was hier nich...

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