Leitsatz (amtlich)
Eine Zurückverweisung ohne Antrag eines Beteiligten kann erfolgen, wenn das Familiengericht unzutreffend im vereinfachten schriftlichen Verfahren nach § 155 a Abs. 3 FamFG entschieden hat und daher die in einem Sorgerechtsverfahren erforderliche umfassende Prüfung des Kindeswohls aus formellen Gründen unterblieben ist.
Normenkette
BGB § 1626 a Abs. 2; FamFG § 69 Abs. 1 S. 2, § 155a Abs. 3-4
Verfahrensgang
AG Frankenthal (Pfalz) (Aktenzeichen 71 F 6/21) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Kindesmutter wird der angefochtene Beschluss aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht - Familiengericht - Frankenthal zurückverwiesen.
II. Für das Beschwerdeverfahren werden Gerichtsgebühren nicht erhoben, außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Das am ... geborene Kind ..., ging aus einer nichtehelichen Beziehung der beteiligen Kindeseltern hervor. Der Vater hat die Vaterschaft anerkannt, Sorgeerklärungen wurden nicht abgegeben. Das Kind hat seinen Lebensmittelpunkt bei der Mutter. Mit Antrag vom 18.12.2020, eingegangen beim Amtsgericht - Familiengericht - Frankenthal am 06.01.2021, beantragte der Kindesvater, die elterliche Sorge für das Kind ... gemeinsam auf ihn und die Kindesmutter zu übertragen. Das Familiengericht veranlasste die Zustellung des Antrags an die Kindesmutter und setzte dieser mit Verfügung vom 28.01.2021 eine Frist zur Stellungnahme bis 08.02.2021. Mit Beschluss vom 09.02.2021 stellte das Familiengericht im Wege des vereinfachten Verfahrens nach § 155a Abs. 3 FamFG die gemeinsame elterliche Sorge her. Eine am 08.02.2021 eingegangene Stellungnahme der Kindesmutter lag dem Familiengericht in diesem Zeitpunkt nicht vor.
Hiergegen wendet sich die Kindesmutter mit ihrer Beschwerde vom 05.03.2021, eingegangen beim Familiengericht am selben Tag. Sie beruft sich darauf, fristgerecht gegenüber dem Familiengericht Stellung genommen zu haben und begehrt die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung unter Berücksichtigung ihrer Stellungnahme.
Der Kindesvater verteidigt die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe seines erstinstanzlichen Vorbringens. Zwar sei die Stellungnahme der Kindesmutter bei der Entscheidung nicht berücksichtigt worden, gleichwohl sei sie in der Sache richtig.
II. Die zulässige Beschwerde führt zu einem vorläufigen Erfolg.
Der Senat hält es für angebracht, die nunmehr im regulären Verfahren durchzuführende Prüfung nach § 1626a Abs. 2 S.1 BGB dem sachnäheren Familiengericht zu überlassen. Nach § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG darf eine solche Aufhebung und Zurückverweisung auch ohne Antrag eines Beteiligten vorgenommen werden, wenn das Gericht des ersten Rechtszugs in der Sache noch nicht entschieden hat. Von einem solchen Fall ist auszugehen, wenn in einem Sorgerechtsverfahren eine umfassende Prüfung des Kindeswohls in 1. Instanz aus formellen Gründen unterblieben ist (Senat FamRZ 2011, 992; OLG Düsseldorf, Beschluss 5 UF 162/17 v. 24.8.2017 - juris Rn. 5; Keidel, FamFG 19. Aufl. § 69 Rn. 14a). So auch, wenn das Familiengericht unzutreffend im vereinfachtes schriftliches Verfahren nach § 155 a Abs. 3 FamFG, anstatt im Regelverfahren entschieden hat (vgl. Senat Beschl. v. 04.09.2018, 6 UF 112/18).
Nach dem Sachverhalt, wie er sich dem Familiengericht im Zeitpunkt der Entscheidung am 09.02.2021 darstellte, waren Gründe, die gegen eine gemeinsame Sorge der Kindeseltern gesprochen hätten, noch nicht ersichtlich. Allerdings hatte die Kindesmutter mit Schriftsatz vom 08.02.2021 solche Gründe vorgebracht. Diese Stellungnahme war vor Erlass der angefochtenen Entscheidung noch am 08.02.2021 innerhalb der mit Verfügung vom 28.01.2021 gesetzten Frist eingegangen, dem Familiengericht aber erst danach zur Kenntnis gebracht worden, wie sich aus dem Akteninhalt und dem Vermerk des Familienrichters vom 08.03.2021 ergibt.
Daher ist nunmehr gemäß § 155 Abs. 4 FamFG ein reguläres Verfahren durchzuführen. In der Sache ist gemäß § 1626a Abs. 2 S.1 BGB im Rahmen einer umfassenden Prüfung darüber zu befinden, ob konkrete Gründe vorliegen, nach denen die Anordnung eines gemeinsamen Sorgerechts dem Wohl des Kindes widerspricht. Das Familiengericht wird nun erstmals hierüber zu entscheiden haben.
Von der Durchführung eines Termins im Beschwerdeverfahren war abzusehen, da aus der Sicht des Senats keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind (§ 68 Abs. 3 S. 2 FamFG).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81, 84 FamFG.
Anlass für eine Festsetzung des Verfahrenswertes für das Beschwerdeverfahren besteht angesichts der getroffenen Kostenentscheidung nicht.
Verfügung
1. Beschl. an Verf. Bet. Hinausgeben
2. Mitteilung an AG VB. RA S ...:
Der Beschwerdeführerin wird Gelegenheit gegeben, die angekündigte, bislang aber nicht vorgelegte Erklärung über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse vollständig ausgefüllt nebst aller erforderlicher Belege bis spätestens 07.05.2021 nachzureichen.
3. Schlussbehandlung (WV Retent VKH m.E.o.z.Fr.)
Fundstellen
FF 2022, 129 |
FamRB 2022, 22 |
NZFam 2021, 1074 |