Entscheidungsstichwort (Thema)
Akteneinsicht eines nicht am Verfahren beteiligten Dritten nach § 299 Abs. 2 ZPO
Leitsatz (amtlich)
1. Die Akteneinsicht eines nicht am Verfahren beteiligten Dritten nach § 299 Abs. 2 ZPO setzt das Vorliegen eines rechtlichen Interesses des Dritten voraus, wofür es eines konkreten rechtlichen Bezuges zwischen dem Verfahrensgegenstand und einem gegenwärtigen Rechtsverhältnis des Dritten zu anderen Personen oder einer Sache bedarf.
2. Ein bloßes Interesse des Dritten daran, aus der Akteneinsicht Kenntnis über das vorhandene Haftungsvermögen eines Schuldners zu erlangen, um mögliche Vollstreckungsaussichten einschätzen zu können, genügt jedenfalls dann nicht für die Annahme eines rechtlichen Interesses im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO, wenn die geltend gemachten Ansprüche des Dritten bestritten und nicht tituliert sind.
Normenkette
ZPO § 299 Abs. 2
Tenor
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Gegenstandswert wird auf EUR 5.000,- festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Gewährung von Einsichtnahme in die Akten eines Zivilprozesses an einen nicht an diesem Prozess beteiligten Dritten.
Die Beteiligte zu 1. führte vor dem Landgericht Bremen mehrere Verfahren gegen ... (nachfolgend: Erblasserin). Die Erblasserin ist zwischenzeitlich verstorben und die Beteiligte zu 2. ist als Rechtsnachfolgerin in die noch laufenden Verfahren eingetreten. Im Verfahren zu dem Az. 6 O 538/19 hatte die Beteiligte zu 1. gegen die Erblasserin den dinglichen Arrest zur Sicherung einer eigenen Forderung begehrt; der Antrag wurde mit Beschluss des Landgerichts vom 08.04.2019 zurückgewiesen und die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde ist vom Hanseatischen Oberlandesgericht in Bremen mit Beschluss vom 11.07.2019 zurückgewiesen worden.
Der Antragsteller macht geltend, dass ihm als Insolvenzverwalter über das Vermögen der ... Ansprüche gegen die Erblasserin in Höhe von insgesamt rund 8,8 Millionen Euro zustünden. Diese Ansprüche sind nicht tituliert und werden von der Beteiligten zu 2. bestritten, ein noch gegen die Erblasserin gerichtetes Klagverfahren zur Durchsetzung dieser Ansprüche vor dem Landgericht Berlin ist ausgesetzt.
Mit Antrag vom 01.06.2021 hat der Antragsteller bei dem Landgericht Bremen Akteneinsicht in alle Verfahren begehrt, in denen die Beteiligte zu 1. oder andere Personen aus dem Kreis der ... als Kläger oder Antragsteller gegen Vermögensübertragungen der Erblasserin auf die Beteiligte zu 2. vorgehen.
Mit Verfügung vom 10.08.2021 hat der Vorsitzende Richter der 6. Zivilkammer im Auftrag der Präsidentin des Landgerichts Bremen die begehrte Akteneinsicht abgelehnt. Da die Erblasserin durch die Beteiligte zu 2. beerbt worden sei, fehle es an einem Interesse des Antragstellers, Informationen über Vermögensübertragungen von der Erblasserin an die Beteiligte zu 2. zu erlangen.
Gegen diese Verfügung wendet sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 27.08.2021, mit dem er die Aufhebung der Verfügung vom 10.08.2021 und die Bewilligung von Akteneinsicht begehrt. Zur Begründung führt der Antragsteller aus, dass er ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO habe. Er benötige die Akteneinsicht, um über die weitere Verfolgung der von ihm geltend gemachten Ansprüche gegen die Erblasserin bzw. deren Nachlass entscheiden zu können und um rechtzeitig innerhalb der Fristen des §§ 3 f. AnfG eine Anfechtung etwaiger Vermögensübertragungen seitens der Erblasserin erklären zu können. Das Interesse an der Akteneinsicht sei auch nicht dadurch entfallen, dass die Beteiligte zu 2., wie sie geltend mache, die Erblasserin beerbt habe: Sofern die Beteiligte zu 2. eine Beschränkung der Haftung für Ansprüche gegen die Erblasserin auf den Nachlass geltend mache, könne der Antragsteller auf solche Vermögensgegenstände, die der Beteiligten zu 2. zu Lebzeiten übertragen worden seien, nur zugreifen, wenn er eine Anfechtung nach §§ 2, 11 AnfG geltend machen könne. Dieses Interesse gelte auch, soweit Akteneinsicht in Verfahren begehrt würde, die die etwaige Vereinnahmung von Nachlassvermögen nach dem Ehemann der Erblasserin durch die Erblasserin beträfen. Der Antragsteller meint, dass es für ein Interesse an der Akteneinsicht im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO genüge, dass er eine Klageerhebung beabsichtige und dafür wissen müsse, ob das noch vorhandene vollstreckbare Vermögen eine Klageerhebung rechtfertige oder ob die Erblasserin versucht habe, durch Übertragung ihres Vermögens auf die Beteiligte zu 2. sich einer späteren Vollstreckung zu entziehen, so dass der Antragsteller die betreffenden Übertragungen binnen der laufenden Fristen des §§ 3 f. AnfG anfechten müsse. Es bedürfe insoweit auch keines bereits vorhandenen vollstreckbaren Titels des Antragstellers, wie auch dadurch bestätigt werde, dass die fristwahrende Anfechtung nach § 7 Abs. 2 AnfG nicht das Vorliegen eines Titels voraussetze. E...