Entscheidungsstichwort (Thema)

Diesel-Abgasskandal: Kein unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch und kein Amtshaftungsanspruch des Fahrzeugkäufers gegen die Bundesrepublik Deutschland

 

Leitsatz (amtlich)

1. Weder Art. 4, 8, 12 und 46 der Richtlinie 2007/46/EG (Typengenehmigungsrichtlinie) noch die Verordnung Nr. 715/2007 bezwecken den Schutz des Fahrzeugkäufers vor Schäden aus dem Erwerb eines Fahrzeugs, dessen Motor über eine unzulässige Abschalteinrichtung verfügt.

2. Der Bundesrepublik Deutschland ist weder ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen die Verpflichtung des Art. 46 der RL 2007/46/EG, wirksame und abschreckenden Sanktionen vorzusehen, vorzuwerfen, noch hat sie vorwerfbar ihre Kontroll- und Überwachungspflichten im Rahmen des Typengenehmigungsverfahrens in qualifizierter Weise verletzt.

3. Die Bundesrepublik Deutschland hat bei der Umsetzung der Richtlinie 2007/46/EG ihren Ermessensspielraum weder offenkundig noch erheblich überschritten. Die vorgesehenen strafrechtlichen, ordnungswidrigkeitenrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten sind jedenfalls nicht offensichtlich ungeeignet.

 

Normenkette

BGB § 839; EG-FGV §§ 4, 37; GG Art. 34; Richtlinie 2007/46/EG Art. 4, 8, 12, 30, 46; EGV 715/2007

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Aktenzeichen 1 O 2360/20)

 

Tenor

1. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 18.08.2021 (1 O 2360/20) aus den auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens für zutreffend gehaltenen Gründen der angefochtenen Entscheidung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO auf ihre Kosten zurückzuweisen.

2. Die Klägerin erhält gemäß § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO eine Frist zur Stellungnahme bis zum 03.03.2022.

3. Der Wert des Streitgegenstands für die Berufungsinstanz wird auf 26.950,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht unionsrechtliche Staatshaftungsansprüche geltend und begehrt Feststellung, dass die Beklagte ihr Schäden ersetzt, die ihr im Zusammenhang mit dem Kauf eines ... entstanden sind, der mit einer verbotenen Abschalteinrichtung versehen war, zu Unrecht eine Typengenehmigung erhalten hatte und auf den ein von der Beklagten genehmigtes Software-Update aufgespielt worden war.

Die Klägerin erwarb auf Bestellung vom 14.01.2016 bei dem Autohaus ... in Verden einen von der ... AG hergestellten gebrauchten Pkw ... mit der FIN: ..., welcher am 25.11.2014 erstmals zugelassen worden war. Er wies eine Laufleistung von 4.290 km auf. Der Kaufpreis betrug 26.950,00 EUR brutto. Im Kaufvertrag wurde darauf hingewiesen, dass der in dem Fahrzeug eingebaute Dieselmotor vom Typ E... von einer Software betroffen ist, die Stickoxide (NOx) im Prüfstandlauf (NEFZ) optimiert. Das vom Kraftfahrzeugbundesamt (KBA) freigegebene Softwareupdate wurde auf dem klägerischen Fahrzeug installiert.

Die Klägerin ist der Ansicht, sie sei durch Unionsrechtsverstöße der Beklagten zum Abschluss des Kaufvertrages gebracht worden. Das Softwareupdate beseitige den Mangel nicht, da wiederum eine Abschalteinrichtung in Gestalt eines Thermofensters installiert worden sei. Außerdem führe das Update zu einem höheren Kraftstoffverbrauch und schnellerem Verschleiß. Die Beklagte habe die Richtlinie 2007/46/EG unzureichend umgesetzt, in dem sie nicht im ausreichenden Maß die nach Art. 46 RL 2007/46/EG erforderlichen Sanktionen im EG-FGV geschaffen habe. Auch die Sanktionen aus dem Strafgesetzbuch (StGB) und dem Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) würden keine hinreichenden Sanktionen bieten. Daher habe das nationale Sanktionssystem nicht die Wirkung gehabt, ... oder andere Hersteller von rechtswidrigen Manipulationen abzuhalten. Die Beklagte habe eine fehlerhafte Überwachung vorgenommen und die Typengenehmigung zu Unrecht erteilt. Auch die erteilte EG-Übereinstimmungsbescheinigung sei falsch.

Die Beklagte rügt die Zulässigkeit der Feststellungsanträge. Ein unionsrechtlicher Erstattungsanspruch stehe der Klägerin nicht zu. Die einschlägige Richtlinie sei nicht drittschützend. Darüber hinaus liege kein qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht vor, der noch dazu einen kausalen Schaden verursacht habe.

Wegen der erstinstanzlichen Anträge und des ergänzenden Sachverhalts wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Ob das gemäß § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse bestehe, könne dahinstehen, weil die Klage als unbegründet abzuweisen sei. Es sei darüber hinaus zweifelhaft, ob der Klägerin überhaupt ein auf die behauptete Verletzungshandlung zurückzuführender Schaden entstanden sei, weil die Klägerin das Fahrzeug in Kenntnis der Betroffenheit des Fahrzeugs vom Abgasskandal erworben habe und ein etwaiger Minderwert bereits beim Erwerb durch die Klägerin berücksichtigt worden sei.

Der Klägerin stehe kein Schadensersatzanspruch zu. Bei den behaupteten Unionsrechtsverstößen - der angeblich unzureichenden Umsetzung des gebotenen Sanktionssystems un...

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