Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständiges Gericht im Verfahren auf Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung über die Genehmigung einer abweichenden Verwertung von Nachlassgegenständen im Zuge der Auseinandersetzung einer Miterbengemeinschaft, wenn sich die Nachlassgegenstände in unterschiedlichen Gerichtsbezirken und insbesondere im Ausland befinden
Leitsatz (amtlich)
1. Im Verfahren auf Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung über die Genehmigung einer abweichenden Verwertung von Nachlassgegenständen im Zuge der Auseinandersetzung einer Miterbengemeinschaft kann im Einzelfall entgegen § 411 Abs. 4 FamFG das Gericht am letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers zuständig sein, auch wenn sich in dessen Bezirk keine Nachlassgegenstände befinden.
2. Das kann jedenfalls wegen einer Gesetzeslücke dann geboten sein, wenn sich die Nachlassgegenstände in unterschiedlichen Gerichtsbezirken und insbesondere im Ausland befinden.
Normenkette
BGB § 2042 ff.; FamFG § 5 Abs. 2, § 410 Abs. 4, § 411 Abs. 4; ZPO § 27
Tenor
Als zuständiges Gericht wird das Amtsgericht - Nachlassgericht - Bremen bestimmt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Am 11.11.2005 verstarb Herr A, zuletzt wohnhaft in Bremen. Er wurde zu gleichen Teilen beerbt von seiner inzwischen verstorbenen Ehefrau B. und seinen Kindern, den Beteiligten zu 2.) und 3.).
Zu seinem Nachlass gehören u.a. auch zahlreiche Kunstgegenstände von erheblichem Wert, die sich derzeit als Leihgaben in verschiedenen Museen in Deutschland bzw. England befinden.[...]. Den Erben gelang es bisher nicht, die Auseinandersetzung über den umfangreichen Nachlass endgültig abzuschließen; insbesondere über das Schicksal der zum Nachlass gehörenden Kunstwerke konnte keine Einigung herbeigeführt werden. Ein Versuch der vormaligen Antragstellerin, Einvernehmen über eine Veräußerung durch das Auktionshaus [...] in New York zu erlangen, scheiterte.
Mit einem am 30.12.2020 beim Amtsgericht Bremen eingereichten Antrag begehrte die vormalige Antragstellerin die gerichtliche Entscheidung über eine abweichende Art der Verwertung der Kunstgegenstände gem. §§ 2042 Abs. 2, 753 Abs. 1, 1246 Abs. 1 u. 2 BGB u.a. durch Kündigung der Leihverträge mit den aktuellen Besitzern und Überführung der Bilder an das New Yorker Auktionshaus zum Zwecke der Versteigerung. Hierzu führte sie im Einzelnen aus, aus welchen Gründen die von ihr vorgeschlagene Art u. Weise der Verwertung im Interesse aller Beteiligten sei. Im Hinblick auf die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts vertrat die Antragstellerin die Auffassung, diese ergebe sich aus dem Gesichtspunkt des Gerichtsstands der Erbschaft und insbesondere der Teilung der Erbschaft.
Das Amtsgericht Bremen wies das Verfahren dem Nachlassgericht zu. Dieses äußerte vor dem Hintergrund der Regelung in §§ 410 Nr. 4, 411 Abs. 4 FamFG zunächst Bedenken gegen seine örtliche Zuständigkeit, erklärte sich sodann durch Beschluss vom 3.02.2021 für örtlich unzuständig und verwies das Verfahren an das Amtsgericht Berlin Mitte. Zur Begründung verwies das Nachlassgericht auf die für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwendende Vorschrift des § 411 Abs. 4 FamFG, wonach dasjenige Gericht zuständig sei, in dessen Bezirk sich die zu verwertenden Gegenstände befinden. Da sich die Gegenstände an mehreren Orten befänden und damit mehrere Gerichtsstände eröffnet seien, die Antragstellerin aber von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch gemacht habe, sei der Gerichtsstand nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zu bestimmen. Dies sei aufgrund der räumlichen Nähe der (seinerzeit nahe Berlin wohnhaften) Antragstellerin das Amtsgericht Berlin. Mit Beschluss vom 3.06.2021 erklärte sich das Amtsgericht Berlin-Mitte für örtlich unzuständig und legte das Verfahren dem Hanseatischen Oberlandesgericht zur Entscheidung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 4 FamFG vor. Das Amtsgericht Berlin Mitte meint, das Amtsgericht Bremen habe das rechtliche Gehör der Antragstellerin verletzt, weil es diese nicht auf ihr Wahlrecht und seine Absicht, sich für unzuständig zu erklären, verwiesen habe. Die angestellten Zweckmäßigkeitserwägungen seien irrig, denn es handele sich um ein schriftliches Verfahren, bei dem es auf die Nähe zum Gericht nicht ankommen könne. Überdies befinde sich der überwiegende Teil der Gemälde in Köln und nicht in Berlin. Nachdem die Antragstellerin am 31.05.2021 verstorben ist, hat der Antragsteller das Verfahren in seiner Eigenschaft als deren Testamentsvollstrecker aufgenommen. Der Senat hat den Antrag vom 30.12.2020 den weiteren Beteiligten zur Kenntnis und dem Antragsteller Gelegenheit zur Ausübung seines Wahlrechts gegeben. Die weiteren Beteiligten haben sich nicht geäußert, der Antragsteller hält die Zuständigkeit des Amtsgerichts Bremen weiterhin für gegeben.
II. 1. Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts ist zulässig, nachdem sich sowohl das zunächst angerufene Amtsgericht Bremen als auch das Amtsgericht Berlin-Mitte rechtkrä...