Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilung der Verfahrenskosten bei Uneinigkeit der Kindeseltern über die Impfung des gemeinsamen Kindes gegen Covid-19
Leitsatz (amtlich)
Muss das Familiengericht wegen Uneinigkeit der Kindeseltern einem Elternteil die Entscheidungsbefugnis über die Impfung des gemeinsamen Kindes gegen Covid-19 allein übertragen, entspricht es regelmäßig der Billigkeit, dass die Eltern die Gerichtskosten jeweils zur Hälfte und ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst tragen.
Normenkette
FamFG § 81 Abs. 1 S. 1, Abs. 2
Verfahrensgang
AG Bremen (Aktenzeichen 68 F 3852/21) |
Tenor
Die Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bremen vom 17.12.2021 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kindesvater.
Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis 500 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Das Familiengericht hat im vorliegenden Verfahren auf den von dem Kindesvater am 29.11.2021 gestellten Antrag nach mündlicher Erörterung vom 16.12.2021 und Anhörung des betroffenen Kindes im Beisein des Verfahrensbeistands vom selben Tag dem Kindesvater mit Beschluss vom 17.12.2021 im Wege einstweiliger Anordnung die Befugnis zur Entscheidung über eine, gegebenenfalls wiederholt erforderliche, Schutzimpfung des betroffenen Kindes gegen Covid-19 allein übertragen, die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben und den Verfahrenswert auf 4.000 EUR festgesetzt.
Gegen diese Entscheidung wendet sich, beschränkt auf den Kostenausspruch, der Kindesvater mit seinem am 27.12.2021 beim Familiengericht eingegangenen Schreiben, mit dem er erreichen will, dass allein die Kindesmutter die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Hierzu macht er geltend, das Verfahren sei notwendig gewesen, weil sich die Kindesmutter kategorisch der elterlichen Auseinandersetzung mit dem Thema verweigert habe und eine Haltung vertrete, die dem aktuellen Stand gängiger medizinischer Behandlung widerspreche. Die in der Sache getroffene Entscheidung folge in Gänze seinem Antrag. Es gehe nicht an, ihn für das unkommunikative Verhalten der Kindesmutter haftbar zu machen, indem er an den Kosten des Verfahrens beteiligt werde.
Die Kindesmutter macht mit Schreiben vom 7.2.2022 geltend, dass sie sehr wohl mit dem Kindesvater im Austausch über alle Belange der elterlichen Sorge der gemeinsamen Tochter, einschließlich des Themas Corona-Impfungen gestanden habe und stehe. Sie halte eine Aufteilung der Kosten des Verfahrens auf beide Elternteile für gerecht.
II. Die in der Eingabe des Kindesvaters beim Familiengericht vom 27.12.2021 zu erblickende, allein gegen die im Beschluss des Familiengerichts vom 17.12.2021 getroffene Kostenentscheidung gerichtete Beschwerde ist gemäß §§ 57 S. 2, 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig, jedoch unbegründet. Die erstinstanzliche Kostenentscheidung ist nicht zu beanstanden. Es entspricht auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens gemäß § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG i.V. mit § 51 Abs. 4 FamFG billigem Ermessen, die Kindeseltern zu gleichen Teilen an den Gerichtskosten zu beteiligen und sie ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst tragen zu lassen (ebenso in einem vergleichbaren Fall jüngst OLG Rostock, NZFam 2022, 69, 74). Ein Fall des § 81 Abs. 2 FamFG, in dem das Gericht die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen soll, liegt nicht vor. Insbesondere hat die Kindesmutter nicht im Sinne der Nr. 1 dieser Vorschrift durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben. Grobes Verschulden in diesem Sinne verlangt Vorsatz oder eine Außerachtlassung der nach den Umständen erforderlichen Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße unter Nichtbeachtung dessen, was jedem einleuchten muss (Keidel/Weber, FamFG, 20. Aufl., § 81 Rn. 38). Davon kann indes keine Rede sein, wenn - wie hier die Kindesmutter - ein Elternteil anders als der andere Elternteil einer Impfung des gemeinsamen zwölf Jahre alten Kindes gegen Covid-19 unter anderem mit der Begründung, dass noch keine Langzeitstudien zu den Nebenfolgen einer solchen Impfung vorliegen, ablehnend gegenübersteht. Dies gilt umso mehr, wenn - wie hier - das betroffene Kind nicht explizit den Wunsch äußert, geimpft zu werden, sondern selbst daran zweifelt, welches die richtige Entscheidung ist. Widerstreitende Meinungen der - jeweils auf ihre Weise das Wohl des Kindes im Blick habenden - Kindeseltern zur Frage der Corona-Impfung ihres Kindes können, wenn mangels erzielbarer Einigung ein familiengerichtliches Verfahren zur Entscheidung der streitigen Frage erforderlich wird, regelmäßig nicht dazu führen, einen Elternteil mehr als den anderen mit den dadurch entstehenden Gerichtskosten zu belasten oder gar einem Elternteil auch die außergerichtlichen Kosten des anderen aufzuerlegen. Denn auch wenn nach den gegenwärtigen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft mehr für als gegen eine Impfung zwölfjähriger Kinder sprechen mag, muss es - jedenfalls dann, wenn, wie hier, keine zwin...