Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge; Erteilung einer inhaltlich beschränkten Sorgerechtsvollmacht kein milderes Mittel gegenüber der Übertragung der Alleinsorge

 

Leitsatz (amtlich)

Auch unter Berücksichtigung des auch bei der Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge zu beachtenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit kann die Alleinsorge für das gemeinsame Kind einem Elternteil allein übertragen werden, wenn es an einer ausreichenden Kommunikationsbasis und an einem Mindestmaß an Übereinstimmung in Sorgeangelegenheiten von erheblicher Bedeutung zwischen den Kindeseltern fehlt und von dem anderen Elternteil eine Sorgerechtsvollmacht erteilt wurde, die lediglich einen inhaltlich beschränkten Umfang hat.

 

Normenkette

BGB § 1671; GG Art. 6 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Bremen (Aktenzeichen 62 F 5346/16)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bremen vom 10.12.2019 wird zurückgewiesen.

2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten jeweils selbst.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind die Eltern des im Rubrum bezeichneten Kindes. Sie waren nie miteinander verheiratet, führten aber für einige Jahre eine nichteheliche Partnerschaft, die 2014/2015 endete. Sie sind gemeinsam sorgeberechtigt. Der Kindesvater stammt aus dem Irak. Er spricht nur gebrochen Deutsch. [redaktioneller Hinweis: von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird aus Gründen der Anonymisierung abgesehen.]. X lebt seit ihrer Geburt im Haushalt der Kindesmutter. Die Kindeseltern führten verschiedene Verfahren, drei Anträge wurden im September 2016 von der Kindesmutter gestellt (im vorliegenden Verfahren, in einem Verfahren auf vorläufigen Entzug des Umgangsrechts zum Az: 62 F 5347/16 EAUG und in einem Gewaltschutzverfahren zum Az: 62 F 5345/16 EAGS), der Kindesvater stellte im Oktober 2016 einen Antrag auf Regelung des Umgangs (zum Az: 62 F 5596/16 UG= 4 UF 104/17) in dessen Rahmen begleiteter Umgang und Elterngespräche eingerichtet werden sollten (vgl. Bl. [...]. d.A) und schließlich in der Anhörung vor dem erkennenden Senat zum Az: 4 UF 104/17 vom 05.04.2019 vereinbart wurde, diese fortzuführen, womit das Verfahren einvernehmlich beendet wurde. Die Eskalation der Situation zwischen den Beteiligten im September/Oktober 2016 beruhte darauf, dass der zuvor in A. lebende Kindesvater im August 2016 wieder nach Bremen zurückgekommen war und nun die Kindesmutter wegen Kontakt zu X bedrängte. Er lauerte ihr auf, versuchte auch, ihr das Kind zu entreißen und schrieb ihr diverse SMS.

Die Kindesmutter begründete ihren Antrag auf Übertragung (zunächst nur von Teilen, mit Schriftsatz vom 24.07.2017 aber auch der gesamten) elterlichen Sorge u.a. damit, dass Zweifel an der Erziehungseignung des Kindesvaters bestehen würden. Er sei ein streng konservativer Iraker, der ein sehr problematisches Verhältnis zu Frauen habe. Er habe die (damals dreijährige) Tochter geschlagen, weil diese beim Tanzen "zu sehr mit dem Po gewackelt" habe. Es liefen auch unstreitig strafrechtlicher Ermittlungen gegen ihn [redaktioneller Hinweis: von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird aus Gründen der Anonymisierung abgesehen.]. Es seien keinerlei sachliche Absprachen möglich, der Kindesvater höre weder zu, noch habe er eine ausreichende Affektkontrolle.

Der Kindesvater ist dem in der Anhörung vom 27.10.2017 entgegengetreten, hat die Erteilung einer Vollmacht angeboten und erklärt, Informationen über sein Kind erhalten zu wollen (Bl. [...] d.A.). Die Kindesmutter war zu einer "Vollmachtlösung" nicht bereit (vgl. Bl. [...] d.A.).

Das Jugendamt äußerte sich dahingehend, dass der Kindesvater keinerlei Kooperations- und Kommunikationsbereitschaft zeige (B. [...] d.A.) und überhaupt nicht mitwirke (Bl. [...] d.A.).

Die Verfahrensbeiständin unterstützte den Antrag der Kindesmutter (Bl. [...] d.A.), nachdem sie zunächst angeregt hatte, den Kindesvater zur Mitwirkung aufzufordern und Elterngespräche zu führen, um die Sorgerechtsübertragung zu vermeiden, da der Kindesvater bislang keinerlei Einsicht zeige und sich sehr ambivalent verhalte. X dagegen habe deutlich geäußert, den Kindesvater nicht sehen zu wollen. Das Verhältnis zur Kindesmutter und die Versorgung durch diese sei dagegen gut.

Im Nachgang der Anhörung der Beteiligten wies die Bevollmächtigte des Kindesvaters darauf hin, dass eine Übertragung des Sorgerechts schon deshalb nicht dem Kindeswohl entspreche, weil der Kindesvater eine umfassende Vollmacht angeboten habe. Die Kindesmutter lehne dies aus eigennützigen Interessen ab. Es werde die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt (Bl. [...] d.A.).

Die Verfahrensbeiständin wiederholte daraufhin zunächst ihre Einschätzung, dass eine Kommunikation zwischen den Kindeseltern kaum möglich sei, allenfalls die Erteilung...

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