Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflichten einer Personenassistanceversicherung bei der Organisation eines Krankentransports im Ausland
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Versicherer einer Personenassistanceversicherung, die u.a. Versicherungsschutz für die Organisation eines medizinisch sinnvollen Krankentransports im Ausland beinhaltet, schuldet die Vornahme dieser Versicherungsleistungen erst dann, wenn die versicherte Person bei objektiver Betrachtung transportfähig ist.
2. Liegt die Transportfähigkeit der versicherten Person nicht vor, ist die Versicherungsleistung betreffend die Organisation eines Krankentransports noch nicht fällig.
3. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer kann nicht davon ausgehen, dass mit Abschluss eines Assistanceversicherungsvertrages zugleich die Entscheidungsverantwortung für den medizinisch gebotenen Behandlungsweg auf die Versicherung übertragen wird. Im Rahmen der Assistanceleistungen hat der Versicherungsnehmer lediglich Anspruch auf die pflichtgemäße Erbringung besonderer - durch die Erkrankung im Ausland bzw. auf der Reise verursachter - Unterstützungs- und Beratungsleistungen, also etwa Übersetzungshilfen, Vermittlung zu bzw. zwischen den Ärzten vor Ort.
Normenkette
AVB Ziff. 2.1.2.3.2
Verfahrensgang
LG Bremen (Aktenzeichen 6 O 1779/15) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bremen - 6. Zivilkammer - vom 22. April 2021 durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Klägerin erhält Gelegenheit, hierzu bis zum 31. Mai 2022 schriftsätzlich Stellung zu nehmen (§ 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
2. Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld für gesundheitliche Beeinträchtigungen und Folgekosten nach einem in Ägypten im Juli 2014 erlittenen Blinddarmdurchbruch.
Die Klägerin war im Jahr 2014 über die "[...]" (Im Folgenden "X") bei der Beklagten versichert.
Zu den Leistungspflichten der Beklagten im Versicherungsfall gehörten danach u.a. ein "weltweit professionelles Notfallmanagement".
Die X umfasste zudem eine Auslandskrankenversicherung, wobei die Leistungen der Beklagten insoweit auf "Assistance-Leistungen" (Teil 1 Ziffer 4.2 der Versicherungsbedingungen) beschränkt waren. Ausweislich Teil 2 Ziffer 2.1.2.1.8 der Versicherungsbedingungen unterfiel der Transport zum für die Behandlung geeigneten nächst erreichbaren Krankenhaus den versicherten Leistungen, gemäß Teil 2 Ziff. 2.1.2.3 war auch die Organisation von Krankentransporten geschuldet.
Am 01.07.2014 traten bei der Klägerin, die sich zu diesem Zeitpunkt in Ägypten befand, massive Oberbauchbeschwerden, Krämpfe, anhaltende Übelkeit und Erbrechen auf. Sie wurde ohne vorherige Beteiligung der Beklagten in das nächstgelegene Krankenhaus in R. eingeliefert, wo zwar verschiedene Untersuchungen durchgeführt wurden, eine klare Diagnose jedoch nicht erfolgte.
Am 03.07.2014 wurde die Klägerin in das S.-Hospital in H. verlegt, wo ein Blinddarmdurchbruch der Klägerin festgestellt und operativ behandelt wurde.
Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe ihre Verlegung in das Krankenhaus nach H. zu spät veranlasst und habe hierdurch ihre Pflichten aus dem Versicherungsvertrag verletzt. Sie hat u.a. behauptet, dass der Beklagten bereits am 01.07.2014 durch den Zeugen Dr. Z. mitgeteilt worden sei, dass das Krankenhaus R. für eine Behandlung ungeeignet sei. Am Morgen des 02.07.2014 habe dieser zudem darauf hingewiesen, dass bei der Klägerin offensichtlich eine Blinddarmentzündung vorliege. Die für die Beklagte handelnde Ärztin Dr. F., die frühere Beklagte zu 2., habe der Klägerin mitgeteilt, dass diese ihren Versicherungsschutz verliere, wenn sie das Krankenhaus verlasse (Bl. 98, 214 d.A.).
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zur Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz zu verurteilen und festzustellen, dass diese auch für künftige Schäden einstandspflichtig sei.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, dass eine schnellere Verlegung der Klägerin nach H. aufgrund der unklaren Diagnose und des Transportrisikos nicht angezeigt gewesen sei. Das Krankenhaus in R. habe über adäquate Gerätschaften zur Diagnosefindung verfügt, wobei Krankenhäuser in Ägypten jedoch generell "schlechte Bedingungen" aufwiesen. Sie habe den Transport zu keinem Zeitpunkt verhindert, die Transportentscheidung habe allein bei den Ärzten gelegen. Eine medizinische Indikation für einen Transport habe auch gar nicht bestanden.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.
Das Landgericht Bremen, 6. Zivilkammer, hat die Klage ohne Beweisaufnahme abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte die von ihr geschuldeten Assistance-Leistungen ordnungsgemäß erbracht habe. Insbesondere kön...