Leitsatz (amtlich)

1. Der Wert des Streitgegenstandes in einem auf Auseinandersetzung einer zweigliedrigen Miterbengemeinschaft gerichteten Rechtsstreit ist bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise auf die Punkte zu beschränken, die zwischen den Parteien streitig sind, auch wenn wechselseitig mit Klage und Widerklage die Zustimmung der jeweiligen Gegenseite zu einem Verteilungsplan verlangt wird und Gegenstand dieser Verteilungspläne auch die Übertragung eines Grundstücks von der Miterbengemeinschaft auf einen Miterben ist, sofern diese Übertragung als solche und der zugrunde zu legende Wert des Grundstücks nicht im Streit sind.

2. Wird der Rechtsstreit durch einen Vergleich beendet, in dem die Miterbengemeinschaft das zum Nachlass gehörige Grundstück auf einen Miterben zu dessen Alleineigentum überträgt, so ist ein übersteigender Vergleichswert i.H.d. Bruchteils des Grundstückswerts vorhanden, der (wirtschaftlich) übertragen wird.

 

Normenkette

ZPO §§ 3, 6

 

Tenor

Der Wert des Streitgegenstandes des Berufungsverfahrens wird auf 14.469,56 Euro (Berufung des Klägers: 6.800,18 Euro, Berufung des Beklagten: 7.669,38 Euro ) festgesetzt.

Der übersteigende Vergleichswert beträgt 89.476,80 Euro.

 

Gründe

Die Parteien haben wechselseitig Anträge gestellt, mit denen eine Auseinandersetzung der zwischen ihnen bestehenden Miterbengemeinschaft erreicht werden sollte. Jede Partei hat von der anderen die Zustimmung zu der von ihr für richtig gehaltenen Aufteilung des vorhandenen Nachlasses ihrer gemeinsamen Mutter begehrt. Dabei gehörte zum Nachlass als ein wesentlicher Gegenstand ein Grundstück, dessen Wert die Parteien, bezogen auf den von der Erblasserin festgesetzten Stichtag ihres Ablebens übereinstimmend mit 350.000 DM beziffert haben. Da durch von den Parteien nicht angegriffene letztwillige Verfügung festgelegt worden war, dass der Kläger Eigentümer dieses Grundstücks werden, dem Beklagten aber die Hälfte des Wertes zufließen sollte, hinterlegte der Kläger den über einen bereits gezahlten Betrag von 25.000 DM hinausreichenden Betrag von 150.000 DM = 76.693,79 Euro bei einem Notar. Außerdem hat der Beklagte vom Kläger die Zahlung der Hälfte eines diesem von der Erblasserin zu deren Lebzeiten zugewandten Geldbetrages (30.000 DM) verlangt.

Der Streit der Parteien beschränkte sich auf zwei Punkte, nämlich die Fragen, ob der Beklagte über den 26.2.2002 hinaus – dies war der Termin, zu dem gem. einer ursprünglich getroffenen Vereinbarung der Beklagte die restliche Summe von 150.000 DM erhalten und der Kläger Alleineigentümer des Grundstücks werden sollte – an den monatlich eingehenden Mietzinsen von 1.400 DM zu beteiligen war und ob der Beklagte beanspruchen konnte, von den 30.000 DM, die dem Kläger zugeflossen waren, die Hälfte zu erhalten.

Der Senat schließt sich auf der Grundlage der vom BGH in seinem Beschluss vom 24.4.1975 (BGH, Beschl. v. 24.4.1975 – III ZR 173/72, NJW 1975, 1415) vertretenen Auffassung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise an. Dementsprechend ist es für die Bemessung des Streitwerts nicht entscheidend, dass die Parteien in ihren wechselseitigen Anträgen auch die Zustimmung des Beklagten zur Übertragung des Alleineigentums an dem zum Nachlass gehörenden Grundstück vorgesehen haben, so dass dessen Gesamtwert in den Streitwert eingeht, denn es kommt für die Bestimmung des Wertes des Streitgegenstandes auf das Interesse der jeweils klagenden Partei an. Dieses lag für den Kläger darin, den Beklagten nicht über den 26.2.2002 hinaus an den eingehenden Mietzahlungen beteiligt zu sehen, während das Interesse des Beklagten insoweit gegenteilig gerichtet war. Ferner lag das Interesse des widerklagenden Beklagten darin, den Kläger zu Zahlung der Hälfte des diesem zu Lebzeiten der Erblasserin zugewandten Betrages von 30.000 DM verurteilt zu wissen. Damit war der Streitwert hinsichtlich des erstgenannten Interesses mit der Hälfte von 1.400 DM monatlich für den Zeitraum von 19 Monaten (März 2002 bis September 2003), d.h. 13.300 DM, und in Bezug auf das zweite Interesse mit 15.000 DM zu bemessen. Es ergibt sich daher ein Gesamtstreitwert von 28.300 DM, der einem Betrag von 14.469,56 Euro entspricht.

Es war allerdings ein übersteigender Vergleichswert festzusetzen. Die im Vergleich getroffene Vereinbarung enthält eine Auflassungserklärung, indem die aus beiden Parteien bestehende Miterbengemeinschaft sich hinsichtlich des zum Nachlass gehörenden Grundstücks auseinandersetzte und das Alleineigentum auf den Kläger übertrug, der diese Übertragung annahm. Wegen der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist jedoch nur die Hälfte des mit 350.000 DM zu bemessenden Grundstückswerts anzusetzen, da dem Kläger kraft letztwilliger Verfügung zwar das Grundstück zu Alleineigentum zufallen sollte, er dafür aber aus eigenen Mitteln dem Beklagten 175.000 DM zu zahlen hatte.

Dr. Schomburg Friedrich Dierks

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1105536

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