Leitsatz (amtlich)
Ergeben sich die Gründe, auf die die Ablehnung des Sachverständigen gestützt wird, aus dem Inhalt seines Gutachtens, läuft die Frist zur Ablehnung des Sachverständigen regelmäßig gleichzeitig mit der vom Gericht gesetzten Frist zur Stellungnahme nach § 411 Abs. 4 ZPO ab.
Normenkette
ZPO § 406 Abs. 2, § 411 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Bremen (Beschluss vom 16.02.2009; Aktenzeichen 6 O 1064/06) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 9.3.2009 gegen den Beschluss des LG Bremen vom 16.2.2009 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.
Gründe
I. Die Klägerin wendet sich mit der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des LG vom 16.2.2009, durch welchen ihr Antrag, den gerichtlichen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, zurückgewiesen worden ist.
Die Klägerin hat bei der Beklagten eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen. Sie begehrt auf Grund behaupteter Erwerbsunfähigkeit die Zahlung einer Erwerbsunfähigkeitsrente. Zur Klärung der zugrunde liegenden medizinischen Fragen hat das LG mit Beschluss vom 23.4.2007 die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beschlossen und Herrn Dr. L. zum Sachverständigen bestellt. Dieser erstellte sein Gutachten unter dem 7.2.2008. Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 14.2.2008 wurde das Gutachten den Parteien "mit der Gelegenheit zur Stellungnahme sowie zur Anbringung von Ergänzungsfragen und Einwendungen binnen drei Wochen (§ 411 Abs. 4 ZPO)" übersandt. Die Zustellung an die Prozessbevollmächtigte der Klägerin erfolgte am 22.2.2008. Die Stellungnahme der Klägerin vom 18.3.2008 ist - nach Verlängerung der vorgenannten Frist - beim LG am 19.3.2008 eingegangen. Mit Schriftsatz vom 3.6.2008, beim LG eingegangen am 5.6.2008, beantragte die Klägerin, den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Zur Begründung trägt sie insbesondere vor, dass sich bereits aus näher dargelegten Äußerungen des Sachverständigen bei ihrer, der Klägerin, medizinischen Untersuchung am 30.10.2007 ergebe, dass dieser nicht unvoreingenommen sei. Diese Voreingenommenheit habe zwangsläufig zu einem Mangel an Objektivität des Gutachtens geführt.
Mit Beschluss des LG vom 16.2.2009 wurde der Ablehnungsantrag zurückgewiesen. Gegen diese Zurückweisung richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Der Senat folgt den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses, wonach der Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit verspätet gestellt worden ist.
Nach § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist ein Ablehnungsantrag gegen einen Sachverständigen grundsätzlich spätestens binnen zwei Wochen nach der Zustellung des Beschlusses über dessen Ernennung anzubringen. Ergeben sich die Gründe, auf die die Ablehnung des Sachverständigen gestützt wird, aus dessen Gutachten, ist die Frist des § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO maßgebend. Die Ablehnungsgründe sind in diesem Falle nicht binnen einer kalendermäßigen Frist, sondern grundsätzlich unverzüglich (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) nach Kenntnis des Gutachtens geltend zu machen. Das bedeutet, dass der Ablehnungsantrag zwar nicht sofort, wohl aber ohne schuldhaftes Zögern, also innerhalb einer den Umständen des Einzelfalls angepassten Prüfungs- und Überlegungsfrist, anzubringen ist (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 68. Aufl., § 121 Rz. 3). In einem einfach gelagerten Fall können bereits wenige Tage ausreichend sein, um die das Ablehnungsgesuch stützenden Tatsachen zu erkennen und vorzutragen. Hingegen kann sich die Frist je nach Sachlage verlängern, wenn der Ablehnungsgrund erst nach sorgfältiger Prüfung des Gutachtens zu erkennen ist (vgl. BGH NJW 2005, 1869 m.w.N.). Wie diese Frist allerdings berechnet wird, ist umstritten (vgl. zum Meinungsstand BGH, a.a.O., 1869 f. sowie VGH Bay., Beschl. v. 23.2.2009 - Az. 11 B 07.30511). Sie dürfte aber grundsätzlich dann abgelaufen sein, wenn der Ablehnungsantrag nicht innerhalb der zur Stellungnahme nach § 411 Abs. 4 ZPO gesetzten Frist eingereicht wird. Das ergibt sich daraus, dass die am Rechtstreit beteiligten Parteien sich innerhalb der nach § 411 Abs. 4 ZPO gesetzten Frist abschließend mit dem Inhalt des Gutachtens auseinandersetzen und mitteilen müssen, ob und ggf. in welchen Punkten Ergänzungsbedarf gesehen wird. Kommt hierbei eine Partei aufgrund der inhaltlichen Prüfung des Gutachtens nicht nur zu dem Ergebnis, dass dieses unrichtig oder ergänzungsbedürftig ist, sondern dass bestimmte Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten auf Voreingenommenheit ihr gegenüber zurückzuführen sind, ist auch diese Besorgnis Ergebnis der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem schriftlichen Gutachten. Die Länge der Frist, binnen derer die Partei das Ergebnis ihrer Prüfung des Gutachtens anzubringen hat, kann in einem solchen Fall nicht davon abhängig sein, ob lediglich ein Ergänzungsantrag oder auch ein Ablehnungsantrag oder eine Kombinatio...