Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfristeter Befangenheitsantrag gegen Sachverständigen
Leitsatz (amtlich)
Ergeben sich die Gründe, auf die die Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit gestützt wird, aus dessen Gutachten, ist die Frist des § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO maßgebend. Die Ablehnungsgründe sind in diesem Fall nicht binnen einer kalendermäßigen Frist, sondern grundsätzlich unverzüglich (§ 121 Abs. 1 Nr. 1 BGB) nach Kenntnis des Gutachtens geltend zu machen. Ist der Ablehnungsgrund erst nach sorgfältiger Prüfung des Gutachtens zu erkennen, ist der Befangenheitsantrag jedenfalls dann verspätet, wenn er nicht innerhalb der zur Stellungnahme nach § 411 Abs. 4 ZPO gesetzten Frist eingereicht wird (BGH NJW 2005, 1859 - 1870 m.w.N.; OLGReport Düsseldorf 2001, 469; Münchener Kommentar - Damrau, ZPO, 2. Aufl., § 406 Rz. 7). Ein erst nach der erfolgten Stellungnahme gestellter Befangenheitsantrag ist regelmäßig verspätet, wenn sich die tragenden Gesichtspunkte für den Befangenheitsantrag bereits im Zeitpunkt der Stellungnahme ergeben. Der Antragsteller kann in diesem Fall nicht abwarten, ob der Sachverständige die aufgeworfenen Kritikpunkte in einer evt. Erläuterung seines Gutachtens bestätigt.
Normenkette
ZPO § 406 Abs. 2, § 411 Abs. 4; BGB § 121 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 05.06.2008; Aktenzeichen 5 O 226/06) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den seinen Antrag, den Sachverständigen Dr. H. M. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, zurückweisenden Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Köln vom 5.6.2008 - 5 O 226/06 - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Gründe
Die zulässige - insbesondere fristgerecht eingelegte - sofortige Beschwerde des Beklagten (§ 406 Abs. 5 Alternative 2 ZPO) hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen vollinhaltlich Bezug genommen wird, hat das LG den Befangenheitsantrag des Beklagten gegen den Sachverständigen Dr. M. schon deswegen zurückgewiesen, weil das Befangenheitsgesuch nicht in der in § 406 Abs. 2 ZPO bestimmten Frist gestellt worden ist.
Ergeben sich - wie vorliegend - die Gründe, auf die die Ablehnung des Sachverständigen gestützt wird, aus dessen Gutachten, ist die Frist des § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO maßgebend. Die Ablehnungsgründe sind in diesem Fall nicht binnen einer kalendermäßigen Frist, sondern grundsätzlich unverzüglich (§ 121 Abs. 1 Nr. 1 BGB) nach Kenntnis des Gutachtens geltend zu machen. Das bedeutet, dass der Ablehnungsantrag zwar nicht sofort, wohl aber ohne schuldhaftes Zögern, d.h. innerhalb einer den Umständen des Einzelfalls angepassten Prüfungs- und Überlegungsfrist anzubringen ist. Zugleich hat der Antragsteller glaubhaft zu machen, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. In einem einfach gelagerten Fall können bereits wenige Tage ausreichend sein, um die das Ablehnungsgesuch stützenden Tatsachen zu erkennen und vorzutragen. Hingegen kann sich die Frist je nach Sachlage verlängern, wenn der Ablehnungsgrund erst nach sorgfältiger Prüfung des Gutachtens zu erkennen ist (so zitiert aus BGH NJW 2005, 1859 - 1870 m.w.N.).
Wann diese Frist abgelaufen ist, ist in Rechtsprechung und in Literatur umstritten (vgl. zum Meinungsstreit die Darstellung in BGH, a.a.O.).
Der Meinungsstreit braucht vorliegend nicht entschieden zu werden, da jedenfalls auch nach der weitestgehenden Auffassung (so BGH, a.a.O.; OLGReport Düsseldorf 2001, 469; Münchener Kommentar - Damrau, ZPO, 2. Aufl., § 406 Rz. 7) der Ablehnungsantrag verspätet gestellt worden ist. Nach dieser Auffassung ist ein Befangenheitsantrag, der innerhalb der zur Stellungnahme nach § 411 Abs. 4 ZPO gesetzten Frist eingereicht wird, zumindest dann nicht nach § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO verspätet, wenn sich die Besorgnis der Befangenheit erst aus einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem schriftlichen Gutachten ergibt. Die am Rechtstreit beteiligten Parteien müssen sich innerhalb der nach § 411 Abs. 4 ZPO gesetzten Frist abschließend mit dem Inhalt des Gutachtens auseinandersetzen und mitteilen, ob und ggf. in welchen Punkten Ergänzungsbedarf gesehen wird. Kommt hierbei eine Partei aufgrund der inhaltlichen Prüfung des Gutachtens nicht nur zu dem Ergebnis, dass dieses unrichtig oder ergänzungsbedürftig ist, sondern dass bestimmte Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten auf Voreingenommenheit ihr gegenüber zurückzuführen ist, ist auch diese Besorgnis Ergebnis der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem schriftlichen Gutachten. Die Länge der Frist, binnen derer die Partei das Ergebnis ihrer Prüfung des Gutachtens den Antrag anzubringen hat, kann dieser Auffassung nach in einem solchen Fall nicht davon abhängig sein, ob lediglich ein Ergänzungsantrag oder auch ein Befangenheitsantrag oder eine Kombination aus beiden Anträgen eingereicht wird. Dieser weitestgehenden Auffassung nach darf der Antragsteller nich...