Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässigkeit der Berufungseinlegung unter der Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine unter der Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe eingelegte Berufung ist unzulässig und gem. § 522 Abs. 1 ZPO zu verwerfen.

2. Für eine erst nach Ablauf der Berufungsfrist erneut eingelegte Berufung, ggf. durch Rücknahme der Bedingung (vgl. dazu BGH FamRZ 2005, 1537), kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht bewilligt werden, da die Fristversäumnis regelmäßig nicht unverschuldet i.S.v. § 234 ZPO ist (vgl. allerdings BGH, a.a.O.).

3. Das gilt insbesondere, wenn der Berufungsführer nicht mit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe rechnen konnte, weil er keine vollständige Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt hat. Der bloße Hinweis auf ein Insolvenzverfahren ersetzt diese Erklärung nicht.

 

Normenkette

ZPO § 85 Abs. 2, §§ 114, 233-234, 522 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Aktenzeichen 4 O 26/08)

 

Gründe

I. Die Parteien werden auf Folgendes hingewiesen:

Der Senat hat Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung.

1. Die Klägerin hat Berufung "unter der Bedingung der Prozesskostenhilfegewährung" eingelegt. Eine an die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) geknüpfte Berufungseinlegung ist jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des BGH unzulässig (vgl. BGH NJW-RR 2007, 1565; FamRZ 2005, 1537; VersR 1993, 713). Das ist auch hier der Fall.

Die Berufungsschrift ist von ihrem Wortlaut her eindeutig. Danach soll die Berufung "unter der Bedingung der Prozesskostenhilfegewährung" eingelegt werden. Eine solche Erklärung ist nicht mit der Aussage vergleichbar, die Durchführung der Berufung werde von der Gewährung von PKH abhängig gemacht, was die Auslegung rechtfertigen kann, die Klägerin lege unbedingt Berufung ein und behalte sich lediglich für den Fall der Versagung der PKH die Zurücknahme der Berufung vor (vgl. BGH NJW-RR 2007, 1565; FamRZ 2004, 1553 ff.).

Es lässt sich hier auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang im Wege der Auslegung folgern, dass die Berufung als unbedingt eingelegt angesehen werden sollte. Das könnte etwa anzunehmen sein, wenn die Bedingung beispielsweise im Schriftbild nicht besonders hervorgehoben und ihr aufgrund der konkreten Formulierung eine gewisse Beiläufigkeit zu entnehmen wäre (vgl. BGH, VersR 1978, 181). Hier ist das Gegenteil der Fall: Die Formulierung "Berufung unter der Bedingung der Prozesskostenhilfegewährung" findet sich gleich im ersten Satz des Schriftsatzes vom 2.11.2010. Sie ist durch Zentrierung und Fettdruck sowie eine freie Zeile jeweils davor und danach besonders hervorgehoben. Außerdem wird sie im nachfolgenden Satz noch einmal bekräftigt, wo es heißt: "Die Berufung steht unter der Bedingung, dass der Berufungsklägerin für die Berufung Prozesskostenhilfe und der Unterzeichner als Prozessbevollmächtigter beigeordnet wird."

2. Ergänzend sei die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie die Zulässigkeit der Berufung auch nicht durch Rücknahme der Bedingung oder des PKH-Gesuchs oder durch Einreichen einer neuen Berufungsschrift erreichen kann. Denn die Berufungsfrist ist mittlerweile abgelaufen. Nach der Rechtsprechung des BGH kann der Berufungskläger zwar eine nur bedingt eingelegte und deshalb unzulässige Berufung durch Rücknahme der Bedingung zulässig machen (vgl. etwa BGH, FamRZ 2005, 1537; VersR 1993, 713 f.). Eine solche Erklärung wäre als erneute Berufungsschrift anzusehen. Wird diese erst nach Ablauf der Berufungsfrist eingelegt, ist grundsätzlich von Amts wegen Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn die Partei ohne ihr Verschulden gehindert war, die Frist einzuhalten (§ 233 ZPO). Eine solche Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung der Berufung käme hier aber nicht in Betracht, weil diese Fristversäumung nicht unverschuldet wäre.

Eine unverschuldete Fristversäumung kann dann vorliegen, wenn - selbst nach Ablehnung eines innerhalb der Frist für die versäumte Prozesshandlung angebrachten PKH-Gesuchs - die Partei vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung des Gesuchs rechnen musste (st. Rspr., vgl. BGH NJW 2002, 2793; VersR 2000, 252 [253]). War diese Erwartung hingegen nicht gerechtfertigt, weil die Partei selbst oder ihr Prozessbevollmächtigter erkennen konnte, dass die Voraussetzungen für eine Bewilligung der Prozesskostenhilfe nicht erfüllt oder nicht ausreichend dargetan waren, so kann die Wiedereinsetzung nicht gewährt werden (vgl. BGH, VersR 2000, 252 [253]; NJW-RR 1991, 1532 [1533]).

Mit der Bewilligung von PKH für eine bedingt erhobene Berufung konnte die Klägerin angesichts der eingangs dargelegten Grundsätze vernünftigerweise allerdings nicht rechnen, so dass schon deshalb die Fristversäumnis nicht unverschuldet wäre und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bereits aus diesem Grunde ausscheidet (vgl. allerdings BGH, FamRZ 2005, 1537).

Zudem könnte die Klägerin auch deshalb nicht mit der Bewilligung von PKH rechnen, weil sie ihre Bedürftigkeit nicht...

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