Entscheidungsstichwort (Thema)
Beendigung der Vormundschaft durch Volljährigkeit eines aus Guinea stammenden Mündels
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Beendigung der Vormundschaft gemäß §§ 1882, 1773 BGB ist gemäß Art. 24 Abs. 1 S. 1 EGBGB nach dem Recht des Staates, dem das Mündel angehört, seine Volljährigkeit zu bestimmen.
2. Nach Art. 443 des Code civil Guineen wird ein Staatsangehöriger Guineas mit Vollendung des 21. Lebensjahres volljährig.
Normenkette
EGBGB Art. 7, 21-22, 24; EuEheVO Art. 8, 61; BGB §§ 1674, 1773, 1882; KSÜ Art. 2
Verfahrensgang
AG Bremen (Beschluss vom 12.11.2015; Aktenzeichen 60 F 2932/13) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Amtes für Soziale Dienste - Amtsvormundschaft - gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Bremen vom 12.11.2015 wird zurückgewiesen.
2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Mit Beschluss vom 2.7.2013 hat das AG - Familiengericht - Bremen das Ruhen der elterlichen Sorge für den im Jahre 2013 aus Guinea nach Bremen gekommenen [...], geboren am [...] 1996 in Guinea, festgestellt sowie das Jugendamt zu seinem Vormund bestellt. Mit Schreiben vom 30.10.2015 hat das Jugendamt um Entlassung aus der Vormundschaft gebeten. Das AG hat diesen Antrag mit Beschluss vom 12.11.2015 zurückgewiesen und festgestellt, dass die Antragstellerin als Vormund im Amt verbleibe. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich die Volljährigkeit des Mündels gemäß Art. 24 Abs. 1 S. 1 EGBGB nach dem Recht seines Heimatlandes richte und in Guinea die Volljährigkeit erst mit Vollendung des 21. Lebensjahres eintrete. Gegen diesen, dem Jugendamt am 20.11.2015 zugestellten Beschluss hat das Jugendamt - Amtsvormundschaft - beim AG Bremen am 3.12.2015 Beschwerde eingelegt.
II.1. Die Beschwerde des Jugendamtes ist nach § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 58 FamFG statthaft. Sie ist auch im Übrigen form- und fristgerecht eingelegt worden und somit zulässig. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für das vorliegende Verfahren ist gemäß Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 (EuEheVO - Brüssel IIA-VO) gegeben (vgl. OLG Karlsruhe, NJW 2016, 87 sowie ZKJ 2015, 469, 471; OLG Bremen, FamRZ 2013, 312). Diese Verordnung ist stets anwendbar, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem EU-Staat, hier Deutschland, hat; diesbezüglich besteht nach Art. 61a) EuEheVO auch ein Vorrang gegenüber dem Haager Übereinkommen vom 19.10.1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern (KSÜ). Der Anwendungsbereich der EuEheVO bezieht sich gemäß Art. 1 Abs. 2b EuEheVO auch auf die Vormundschaft, so dass für ein Kind, das seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, gemäß §§ 1773 ff. BGB ein Vormund bestellt werden kann (vgl. MüKo/Siehr, BGB, 6. Aufl., Art. 8 EuEheVO Rn. 26).
Im vorliegenden Fall hat der Mündel unstreitig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Für die internationale Zuständigkeit ist es im vorliegenden Fall unerheblich, dass die Minderjährigkeit des Betroffenen zweifelhaft ist. Im Hinblick darauf, dass die Frage der Minderjährigkeit gleichzeitig notwendige Voraussetzung für die vom Jugendamt begehrte Feststellung des Erlöschens der Vormundschaft und für die gerichtliche Zuständigkeit ist, es sich somit um eine so genannte doppelrelevante Tatsache handelt, ist für die Zuständigkeitsfrage zu unterstellen, dass der Betroffene noch Kind i.S.d. Art. 8 EuEheVO ist (vgl. BGH, NJW 2010, 873; OLG Karlsruhe, NJW 2016, 87).
2. Die somit zulässige Beschwerde ist allerdings unbegründet. Das AG - Familiengericht - Bremen hat in dem angefochtenen Beschluss zutreffend festgestellt, dass die Vormundschaft noch fortbesteht.
Da es sich bei dem Betroffenen bei seiner Ankunft in Deutschland um einen Minderjährigen handelte, dessen Eltern in seinem Heimatland verblieben waren, hat das AG im Jahr 2013 zu Recht gemäß § 1674 BGB festgestellt, dass die elterliche Sorge seiner leiblichen Eltern ruht und zugleich gemäß § 1773 Abs. 1 BGB das Jugendamt zum Vormund für ihn bestellt. Gemäß § 1882 BGB endet die Vormundschaft durch Wegfall der in § 1773 BGB für ihre Begründung bestimmten Voraussetzungen, wobei es sich hier um den Eintritt der Volljährigkeit des Betroffenen handelt. Der Betroffene ist aber - entgegen der Annahme der Beschwerdeführerin - noch nicht volljährig, weshalb die Vormundschaft fortdauert.
Der Eintritt der Volljährigkeit ist hier gemäß Art. 24 EGBGB nach dem Recht des Staates Guinea zu beurteilen.
Der Anwendungsbereich des EGBGB ist hier weder durch eine Regelung der Europäischen Union (Art. 3 Nr. 1 EGBGB) noch durch Regelungen in völkerrechtlichen Vereinbarungen (Art. 3 Nr. 2 EGBGB) ausgeschlossen. Insbesondere findet auf den vorliegenden Fall das Abkommen über die Rechtsst...