Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendbares Recht für die Beendigung einer im Inland bestellten Vormundschaft für einen (hier aus Liberia) stammenden Ausländer
Leitsatz (amtlich)
Das auf die Beendigung einer im Inland für einen 19 Jahre alten Liberianer bestellten Vormundschaft anzuwendende Recht bestimmt sich nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 EGBGB, so dass nach liberianischem Recht für den Eintritt der Volljährigkeit des Mündels auf die Vollendung des 21. Lebensjahres abzustellen ist.
Normenkette
BGB §§ 1773, 1882; EGBGB Art. 24 Abs. 1 S. 1; KSÜ Art. 2, 5 Abs. 1, Art. 15 Abs. 1; Liberian Code of Law
Verfahrensgang
AG Bremerhaven (Beschluss vom 06.03.2012; Aktenzeichen 62 F 2415/10) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Jugendamtes gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Bremen vom 6.3.2012 wird zurückgewiesen.
2. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Das Jugendamt wurde durch Beschluss des AG Bremen-Blumenthal vom 9.10.2007 (Geschäftsnummer 71b F 581/07) für den Betroffenen zum Vormund bestellt. Der Betroffene wird unter den im Rubrum angegebenen Personalien mit dem Geburtsdatum [...]1992, geboren in Liberia, behördlich geführt. Er ist mittlerweile vielfach strafrechtlich in Erscheinung getreten und war in der Vergangenheit teilweise unbekannten Aufenthalts. Im Jahr 2010 hat er bei dem Standesamt Bremen-Mitte sich mit einem Pass ausgewiesen, der auf den Namen Y, geboren am [...]1988, ausgestellt war.
Das Jugendamt hat erstinstanzlich beantragt, seine Entlassung als Vormund für den Betroffenen auszusprechen. Das AG - Familiengericht - Bremen hat den Antrag des Jugendamtes mit Beschluss vom 6.3.2012 zurückgewiesen und die Zurückweisung damit begründet, dass nach dem maßgeblichen liberianischen Recht die Volljährigkeit erst mit Vollendung des 21. Lebensjahres eintrete, welches der Betroffene noch nicht erreicht habe.
Gegen diesen ihm am 3.4.2012 zugestellten Beschluss hat das Jugendamt mit am 11.4.2012 eingegangenem Schriftsatz vom 5.4.2012 Beschwerde eingelegt. In seiner Beschwerdebegründung vertritt es die Auffassung, es sei nicht tragbar, dass das Jugendamt Vormundschaften für junge Leute zu führen habe, die seiner Hilfe nicht bedürften bzw. diese sogar ablehnten.
II.1. Die Beschwerde des Jugendamtes ist nach § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. §§ 58 ff. FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Gemäß Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 (EheVO II - Brüssel IIa-VO) ist die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für das vorliegende Verfahren gegeben, da das Kind - hier der Betroffene - zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Bundesrepublik Deutschland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Der Begriff des "Kindes" im Sinne dieser Zuständigkeitsnorm ist nicht mit dem Ausdruck "Minderjähriger" gleichzusetzen. Vielmehr bleibt es jedem Mitgliedstaat der Verordnung überlassen, nach seinem eigenen Recht zu bestimmen, wer noch ein Kind ist und für wen deshalb noch Verfahren über die elterliche Verantwortung beantragt werden können (vgl. MünchKomm/Siehr, BGB, 5. Aufl., Art. 8 EheVO II Rz. 28). Da sich nach deutschem internationalen Privatrecht gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 EGBGB die Geschäftsfähigkeit nach der Staatsangehörigkeit einer Person bestimmt, ist hier auf das Recht des Staates Liberia abzustellen. Nach dem X. Titel (Familienrecht) des Liberian Code of Law von 1956 wird die volle Geschäftsfähigkeit mit der Volljährigkeit (vollendetes 21. Lebensjahr) erlangt (vgl. Mergenthaler/Reichard, Standesamt und Ausländer, Liberia, Seite 2). Da der am [...]1992 geborene Betroffene das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist er "Kind" i.S.d. Art. 8 Abs. 1 EheVO II.
2. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg.
a) Die Vormundschaft endigte im vorliegenden Fall nicht gem. § 1882 BGB wegen Wegfalls der für die Begründung der Vormundschaft bestimmten Voraussetzungen durch Eintritt der Volljährigkeit des Betroffenen.
aa) In Bezug auf die Frage der Beendigung der Vormundschaft durch Eintritt der Volljährigkeit ist für das vorliegende Verfahren auf das liberianische Recht abzustellen. Gemäß Art. 24 Abs. 1 S. 1 EGBGB unterliegen die Entstehung, die Änderung und das Ende der Vormundschaft sowie der Inhalt der gesetzlichen Vormundschaft dem Recht des Staates, dem der Mündel angehört. Art. 24 Abs. 1 S. 1 EGBGB wird im vorliegenden Fall nicht durch staatsvertragliche Sonderregelungen verdrängt.
Insbesondere findet das am 1.1.2011 in Kraft getretene Haager Kinderschutzübereinkommen vom 19.10.1996 (KSÜ), welches nach Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 im Hinblick auf Maßnahmen zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes die Anwendbarkeit der lex fori vorsieht, keine Anwendung. Die Bestellung eines Vormunds für einen Minderjährigen ist zwar eine Schutzmaßnahme im Sinne des Übereinkommens (vgl. zum MSA Staudinger/Kropholler, BGB, 13. Aufl., Vorbem. zu Art. 19 EGBGB Rz. 6...