Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwaltsgebühren: Entstehung einer Einigungsgebühr in Sorgerechtsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

In Sorgerechtsverfahren kann eine Einigungsgebühr auch dann anfallen, wenn die Einigung der Eltern durch Gerichtsbeschluss bestätigt werden muss.

 

Normenkette

RVG-VV Nrn. 1000, 1003; BGB § 1671

 

Verfahrensgang

AG Bremen (Beschluss vom 20.03.2009; Aktenzeichen 59 F 3204/08)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Kindesvaters wird der Beschluss des AG vom 20.3.2009 dahingehend abgeändert, dass zugunsten des Vertreters des Kindesvaters für das Sorgerechtsverfahren eine weitere aus der Staatskasse zu zahlende Gebühr von 224,91 EUR festgesetzt wird.

 

Gründe

I. Die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern hatten für ihre Kinder wechselseitig Anträge auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge gestellt. In dem vom Familiengericht anberaumten Anhörungstermin vom 12.12.2008 beschränkte die Mutter ihren Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts. Nachdem der Vater dem Antrag der Mutter zugestimmt hatte, schlossen die Eltern eine Vereinbarung, in der sie den Umgang des Vaters mit den Kindern geregelt und sich "unter Beibehaltung der übrigen elterlichen Sorge" darauf verständigt haben, dass die Mutter bis zum 31.12.2009 sämtliche, die Kinder betreffenden Angelegenheiten alleine entscheiden kann.

Nach Abschluss des Verfahrens beantragte der Verfahrensbevollmächtigte des Kindesvaters seine aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung unter Berücksichtigung einer Einigungsgebühr auf 810,99 EUR festzusetzen. Diesem Antrag wurde durch Festsetzungsbeschluss vom 8.1.2009 uneingeschränkt entsprochen. Auf die hiergegen eingelegte (nicht fristgebundene) Erinnerung des Bezirksrevisors vom 5.3.2009 (hat die Urkundsbeamtin mit Beschluss vom 20.3.2009 den Festsetzungsbeschluss vom 8.1.2009 abgeändert und die Gebühren und Auslagen des Beschwerdeführers um die Einigungsgebühr (224,91 EUR inkl. MwSt.) reduziert und auf 586,08 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, eine Einigungsgebühr sei im Sorgerechtsverfahren nicht entstanden, weil über das Aufenthaltsbestimmungsrecht durch Beschluss entschieden worden sei; im Übrigen liege eine Antragsrücknahme vor. Dagegen richtet sich die am 2.4.2009 eingegangene Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Kindesvaters.

II. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde (§§ 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG) hat in der Sache Erfolg. Zugunsten des Verfahrensbevollmächtigten des Kindesvaters ist eine Einigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1003 RVG-VV festzusetzen.

Nach der in der Rechtsprechung der OLG vertretenen herrschenden Meinung (vgl. OLG Braunschweig, FamRZ 2008, 1465 u. OLG Dresden FamRZ 2008, 1009 jeweils mit Rspr. Hinw.), der sich der Senat anschließt, kann eine Einigungsgebühr in Sorgerechtsverfahren nach § 1671 BGB entstehen.

Nach Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 RVG-VV entsteht die Einigungsgebühr, wenn der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis durch Abschluss eines Vertrages unter Mitwirkung des Rechtsanwalts beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Die Einigungsgebühr soll jegliche vertragliche Beilegung eines Streits der Parteien honorieren und dadurch einen Anreiz schaffen, diesen Weg der Erledigung eines Rechtsstreits zu beschreiten. Durch die zusätzliche Gebühr soll zudem die Belastung der Gerichte gemindert werden (BGH, FamRZ 2007, 1096).

Die Eltern haben in dem Verfahren (zunächst) gegenläufige Sorgerechtsanträge gestellt. Im Anhörungstermin vom 12.12.2008 hat die Kindesmutter ausweislich der Sitzungsniederschrift dann nicht mehr die Übertragung der elterlichen Sorge begehrt, sondern nur noch das Aufenthaltsbestimmungsrecht beantragt. Diesem Antrag hat der Kindesvater zugestimmt und damit gleichzeitig von seinem Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge Abstand genommen. Beide Eltern haben danach an ihrem ursprünglichen Anliegen - Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge - nicht festgehalten, sondern sich darauf verständigt, dass der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen werden soll. Damit haben die Eltern den zwischen ihnen bestehenden Streit über das Sorgerecht gütlich beigelegt. Dass die Einigung der Eltern nicht förmlich als Vereinbarung protokolliert worden ist, schadet nicht (vgl. BGH, FamRZ 2007, 1096; OLG Dresden FamRZ 2008, 1009; OLG Nürnberg, FamRZ 2005, 741, 742).

Dem Anfall der Einigungsgebühr steht entgegen der Auffassung des AG nicht entgegen, dass die Verständigung der Eltern über die elterliche Sorge nicht unmittelbar zu einer Beendigung des Verfahrens nach § 1671 BGB geführt hat, sondern dass es dazu noch einer Gerichtsentscheidung bedurfte (OLG Braunschweig, FamRZ 2008, 1465; OLG Dresden, a.a.O.; OLG Nürnberg, a.a.O.). Denn Grundlage der vom AG durch Beschluss vom 17.12.2008 (Bl. 36) getroffenen Entscheidung nach § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB war die von den Eltern im Anhörungstermin zustande gekommene ...

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