Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmung des zuständigen Gerichts; örtliche Zuständigkeit nach Wiederaufnahme eines gem. § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG ausgesetzten Verfahrens über den Versorgungsausgleich

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Gericht erklärt sich nicht schon dadurch rechtskräftig für unzuständig, dass es die Verfahrensakten an das zuerst mit der Sache befasste Gericht unter Ablehnung der Übernahme zurücksendet, ohne dies den Beteiligten zur Kenntnis zu geben. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts gem. § 5 Abs. 1 Nr. 4, 2 FamFG kommt dann nicht in Betracht.

2. Die ursprünglich begründete örtliche Zuständigkeit des Familiengerichts bleibt nach Wiederaufnahme eines gem. § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG ausgesetzten Verfahrens über den Versorgungsausgleich erhalten.

 

Normenkette

FGG-RG Art. 111 Abs. 3-4; VAÜG § 2; FamFG § 2 Abs. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 4

 

Verfahrensgang

AG Bremerhaven (Aktenzeichen 152 F 301/95)

AG Syke (Aktenzeichen 28 F 19/11)

 

Tenor

Die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.

 

Gründe

1. Auf das Verfahren ist gem. Art. 111 Abs. 3, 4 S. 1 FGG-RG das seit dem 1.9.2009 geltende Verfahrensrecht anzuwenden, da es am 1.9.2009 ausgesetzt und aus dem Scheidungsverbund abgetrennt war.

Das Hanseatische OLG in Bremen ist für die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 5 Abs. 1 und 2 FamFG zuständig, weil das Familiengericht in Bremen zuerst mit der Sache befasst war.

Die Bestimmung des zuständigen Gerichts war jedoch abzulehnen, da deren Voraussetzungen nicht vorliegen. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 FamFG setzt die Bestimmung des zuständigen Gerichts im Fall eines negativen Kompetenzkonflikts voraus, dass verschiedene Gerichte, von denen eines für das Verfahren zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Diese Erklärung hat grundsätzlich in Beschlussform zu erfolgen (Schöpflin, in: Schulte-Bunert/Weinreich, Kommentar zum FamFG, 2. Aufl. 2010, § 5 FamFG Rz. 11). Gerichtsinterne Vorgänge wie Ab- oder Rückgabeverfügungen, die den Beteiligten nicht zur Kenntnis gebracht werden, reichen für die Erklärung als unzuständig nicht aus (Schöpflin, a.a.O., m.w.N.). Das Familiengericht Syke hat die Übernahme nicht förmlich abgelehnt, sondern lediglich die Verfahrensakten mit Verfügung vom 8.2.2011 an das Familiengericht Bremen zurückgesandt, ohne dies den Beteiligten mitzuteilen. Es hat sich damit nicht i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 4 FamFG rechtskräftig für unzuständig erklärt.

2. Der Senat weist zur Frage der örtlichen Zuständigkeit allerdings auf Folgendes hin:

Die einmal begründete örtliche Zuständigkeit des Familiengerichts bleibt nach dem in § 2 Abs. 2 FamFG geregelten Grundsatz der perpetuatio fori auch nach Wiederaufnahme des Verfahrens über den Versorgungsausgleich erhalten und kann nicht mehr nachträglich entfallen (OLG Jena, Beschluss vom 1.3.2011, Gesch.-Nr. 11 SA 1/11, zitiert nach juris; OLG Brandenburg, Beschluss vom 2.11.2010, Gesch.-Br. 9 AR 9/10, zitiert nach juris). Die Entscheidung des BGH vom 16.2.2011 (XII ZB 261/10, zitiert nach juris) steht dem nicht entgegen. Der BGH hat zwar klargestellt, dass nach § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG ausgesetzte Verfahren nach ihrer Wiederaufnahme die Eigenschaft als Folgesache verlieren und gebührenrechtlich als neue Angelegenheit anzusehen sind. Zur Frage der fortbestehenden Zuständigkeit hat er sich dagegen nicht geäußert. Die gebührenrechtliche Einordnung als neue Sache bedeutet nicht, dass das ursprünglich zuständige Gericht für das wiederaufgenommene Verfahren nicht mehr zuständig ist. Denn auch nach altem Verfahrensrecht entstanden die Rechtsanwaltsgebühren in Verfahren neu, die durch die Abtrennung aus dem Scheidungsverbund gem. § 623 Abs. 2 ZPO a.F. zu selbständigen Familiensachen wurden (Philippi, in Zöller, Komm. z. ZPO, 27. Aufl. 2008, § 623 ZPO Rz. 32k). Dennoch galt auch in diesen Verfahren der Grundsatz der perpetuatio fori, so dass die gerichtliche Zuständigkeit trotz der gebührenrechtlichen Einordnung als selbständiges Verfahren erhalten blieb (Maurer/Borth, in: Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 5. Aufl. 2004, Kap. I Rz. 360).

Die gleichen Grundsätze müssen auch für die Abtrennung und Aussetzung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich nach § 2 VAÜG gelten. Mit der Wiederaufnahme des ausgesetzten Verfahrens über den Versorgungsausgleich verliert dieses zwar seine Eigenschaft als Folgesache, wird dadurch aber keine neue Angelegenheit i.S.d. § 2 Abs. 2 FamFG (OLG Jena, a.a.O.; OLG Brandenburg, a.a.O.). Denn die Befassung eines Gerichts mit einer Angelegenheit endet erst, wenn das Verfahren abgeschlossen ist (Jacoby, in: Bork/Jacoby/Schwab, Kommentar zum FamFG, 1. Aufl. 2009, § 2 FamFG Rz. 4). Die Aussetzung nach § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG ist jedoch keine das Verfahren abschließende Endentscheidung, sondern eine Zwischenentscheidung (BGH, Beschl. v. 4.12.2002, FamRZ 2003, 1005), die dem Gericht nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Verfahrensrecht gem. §§ 2 Abs. 1 S. 2, Halbs. 2 VAÜG, 628 Abs. 1 ZPO a.F. die Vorabentscheidung über den Scheidungsantrag und sonstige Folg...

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