Entscheidungsstichwort (Thema)
Abberufung des Versammlungsleiters der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft aus wichtigem Grund
Leitsatz (amtlich)
1. Die Hauptversammlung hat die Möglichkeit und Befugnis, den satzungsmäßig bestimmten Versammlungsleiter (hier: Vorsitzender des Aufsichtsrats) bei Vorliegen eines wichtigen Grundes abzuberufen, wenn es ihr etwa aufgrund schwerwiegender Verfah-rensverstöße oder aus ähnlichen, ebenso gewichtigen Gründen nicht zumutbar ist, an der Person der Versammlungsleiters festzuhalten.
2. Nur in einem Fall offenbaren Missbrauchs wäre der Versammlungsleiter ausnahms-weise befugt und u.U. auch gehalten, in eigener Entscheidungskompetenz einen An-trag auf Abberufung des Versammlungsleiters ohne Aussprache und Abstimmung zu-rückzuweisen. Allerdings sind im Interesse des Minderheitenschutzes an das Vorliegen einer solchen Ausnahme strenge Anforderungen zu stellen.
3. In der Hauptversammlung von Aktionären geäußerte Vorwürfe, der Versammlungs-leiter lasse die Protokollierung protokollierungswürdiger Sachverhalte nicht zu und ver-suche, Protokollierungswünsche von Aktionären zu verhindern, sind jedenfalls nicht von vornherein unsachlich, willkürlich oder schikanös.
4. Der Verfahrensverstoß, welcher darin besteht, dass der Versammlungsleiter einen Antrag auf seine Abberufung zurückweist, bewirkt nicht die Nichtigkeit der Beschlüsse nach § 241 Nr. 2 AktG i.V.m. § 130 Abs. 2 AktG, sondern vielmehr ihre Anfechtbarkeit nach § 243 Abs. 1 AktG.
Abberufung zurückweist, bewirkt nicht die Nichtigkeit der Beschlüsse nach § 241 Nr. 2 AktG i.V.m. § 130 Abs. 2 AktG, sondern vielmehr ihre Anfechtbarkeit nach § 243 Abs. 1 AktG.
Die Hauptversammlung einer AG hat die Befugnis, den satzungsmäßig bestimmten Versammlungsleiter bei Vorliegen eines wichtigen Grundes abzuberufen, z.B. wenn es ihr aufgrund schwerwiegender Verfahrensverstöße oder aus ähnlichen, ebenso gewichtigen Gründen nicht zumutbar ist, an der Person des Versammlungsleiters festzuhalten. Nur in einem Fall offenbaren Missbrauchs wäre der Versammlungsleiter ausnahmsweise befugt und u.U. auch gehalten, in eigener Entscheidungskompetenz einen Antrag auf Abberufung des Versammlungsleiters ohne Aussprache und Abstimmung zurückzuweisen. In der Hauptversammlung von Aktionären geäußerte Vorwürfe, der Versammlungsleiter lasse die Protokollierung protokollierungswürdiger Sachverhalte nicht zu und versuche, Protokollierungswünsche von Aktionären zu verhindern, sind jedenfalls nicht von vornherein missbräuchlich. Ein dahingehender Verfahrensverstoß des Versammlungsleiters bewirkt nicht die Nichtigkeit der Beschlüsse, sondern deren Anfechtbarkeit.
Normenkette
AktG § § 121 ff., § 241 Nr. 2, § 130 Abs. 2, § 243 Abs. 1
Tenor
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Nebenintervenienten für den zweiten Rechtszug hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger und die Nebenintervenienten vorher Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit mehrerer Beschlüsse, die in der Hauptversammlung der Beklagten vom 28.8.2007 zu den Tagesordnungspunkten 2.-6. gefasst wurden. In der Hauptversammlung führte der Aufsichtsratsvorsitzende K. aufgrund der Bestimmung in § 12 Abs. 2 der Satzung der Beklagten. den Vorsitz. Im Übrigen nahmen neben den Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsichtsrates zahlreiche Aktionäre an der Hauptversammlung teil, u.a. auch die Kläger zu 1. bis 4. Die Versammlung dauerte von 10.10 Uhr bis 23.57 Uhr.
Im Verlaufe der Versammlung äußerten die Aktionärin S. als Vertreterin des Klägers zu 1., die Kläger zu 2. und 4., dabei der Kläger zu 4. auch in seiner Eigenschaft als Vertreter der Klägerin zu 3., wiederholt und deutlich ihren Unwillen über die Versammlungsleitung und brachten dabei insbesondere ihren Protest dagegen zum Ausdruck, dass - wie sie behaupteten - ihre Fragen vom Vorstand nicht oder nicht vollständig beantwortet und Vorgänge nicht protokolliert würden.
Die Aktionärin S. stellte den Antrag, den Versammlungsleiter K. aus wichtigem Grund abzuberufen. Der Versammlungsleiter lehnte es ab, hierüber zu beraten und abzustimmen. Der genaue Ablauf wird im Versammlungsprotokoll wie folgt wiedergegeben:
"Nach Worterteilung durch den Vorsitzenden stellte die Aktionärin S. um 22.24 Uhr ... den Antrag auf Abwahl des Versammlungsleiters und begründete diesen Antrag wie folgt: Ein wichtiger Grund liege darin, dass der Versammlungsleiter die Protokollierung protokollierungswürdiger Sachverhalte nicht zulasse. Es wird im Übrigen auf die stenografische Aufzeichnung in der Anlage zum Protokoll verwiesen ...
Zu den Ausführungen der Aktionärin S. bat der Aktionär Kl ... um das Wort ... Der Vorsitzende lehnte de...