Entscheidungsstichwort (Thema)
Lebensversicherung
Leitsatz (amtlich)
Die einem Lebensversicherungsvertrag zugrunde liegende, an § 11 Abs. 1 Satz 1 ALB 86 angelehnte Klausel: "Die Gesellschaft kann den Inhaber des Versicherungsscheines als verfügungs- insbesondere empfangsberechtigt ansehen" berechtigt den Inhaber des Versicherungsscheins auch zur Kündigung des Versicherungsvertrags zur Erlangung des Rückkaufswerts.
Normenkette
ALB 86 § 11; VVG § 176
Verfahrensgang
LG Bremen (Urteil vom 18.10.2007; Aktenzeichen 6 O 1839/06) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 6. Zivilkammer des LG Bremen vom 18.10.2007 wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger hatte bei der Beklagten, einem Versicherungsunternehmen, im Jahre 1985 eine Kapitallebensversicherung abgeschlossen. Die vereinbarte Laufzeit endete im Jahre 2005. Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Großlebensversicherung (AVB) der Beklagten zugrunde. § 11 Ziff. 1 Satz 1 AVB hat folgenden Wortlaut: "Die Gesellschaft kann den Inhaber des Versicherungsscheines als verfügungs- insbesondere empfangsberechtigt ansehen."
Ende 2002 oder Anfang 2003 wurde der Versicherungsvertrag gekündigt und die Beklagte aufgefordert, den Rückkaufswert auf ein in dem Kündigungsschreiben benanntes Konto zu überweisen. Darauf hin überwies die Beklagte einen Betrag von EUR 5.491,97 auf dieses Konto. Inhaberin des Kontos war die Ehefrau des Klägers.
Der Kläger hat behauptet, dass seine Ehefrau unter Verwendung seines Namens und ohne Berechtigung den Versicherungsvertrag gekündigt und den überwiesenen Betrag für sich verwendet habe. Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, den Betrag auszuzahlen, weil die Kündigung unwirksam gewesen sei. Der Kläger hat von der Beklagten die Auszahlung des Rückkaufswertes verlangt und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 5.451,97 nebst näher genannte Zinsen zu zahlen.
Durch Urteil vom 16.10.2007 hat das LG der Klage stattgegeben. Mit der Berufung begehrt die Beklagte die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und verfolgt ihren erstinstanzlichen Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
II. Die Berufung ist statthaft (§ 511 Abs. 1 ZPO), im Übrigen zulässig (§§ 511 Abs. 2, 517, 519, 520 ZPO) und auch begründet. Der vom Kläger gegen die Beklagte in Höhe des Rückkaufswertes geltend gemachte Anspruch auf Leistung aus dem Versicherungsvertrag besteht nicht. Die Beklagte hat nach Kündigung des Versicherungsvertrages mit befreiender Wirkung gem. §§ 4, 11 AVB i.V.m. § 176 VVG und § 808 BGB geleistet.
1. Nach dem Ergebnis der vom LG durchgeführten Beweisaufnahme ist der Originalversicherungsschein der Beklagten im Zuge der Kündigung des Versicherungsvertrages ausgehändigt worden. [...]
2. Nachdem der Beklagten das Original des Versicherungsscheins im Zuge der Kündigung vorgelegt wurde, ist sie mit Zahlung des seinerzeitigen Rückkaufwertes auf das im Kündigungsscheiben angegebene Konto entgegen der vom LG Bremen in der angefochtenen Entscheidung vertretenen Auffassung gem. §§ 11, 4 AVB i.V.m. §§ 362, 808 BGB frei geworden. Insbesondere durfte der Versicherungsvertrag auch unter den hier gegebenen Bedingungen vorzeitig gekündigt werden.
Nach der Rechtsprechung des BGH sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (BGH VersR 2000, 709 m.w.N.). Eine Ausnahme erfährt dieser Grundsatz jedoch, wenn die Rechtssprache mit einem in den Bedingungen verwendeten Ausdruck einen fest umrissenen Begriff verbindet. Trifft das zu, so ist im Zweifel anzunehmen, dass auch die Bedingungen darunter nichts anderes verstehen wollen (BGH, a.a.O., m.w.N.). Für die Inhaberklausel gem. § 11 ALB 86 ("Den Inhaber des Versicherungsscheins können wir als berechtigt ansehen, über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag zu verfügen, insbesondere Leistungen in Empfang zu nehmen ...") hat der BGH entscheiden, dass der Versicherer den Inhaber des Versicherungsscheins nicht nur als berechtigt ansehen kann, Leistungen in Empfang zu nehmen. Er könne ihn vielmehr auch als berechtigt ansehen, "über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag zu verfügen". Dass dem Versicherer damit eine weiterreichende Berechtigung zugewiesen werde als diejenige, mit befreiender Wirkung an den Urkundeninhaber zu leisten, ergebe sich für den Versicherungsnehmer schon daraus, dass gerade diese konkret bezeichnete Berechtigung mit dem Zusatz "insbesondere" v...