Entscheidungsstichwort (Thema)

Lebensversicherung: Treuwidrige Berufung des Versicherungsnehmers auf die Unwirksamkeit eines Lebensversicherungsvertrags (sog. Policenmodell)

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Versicherungsnehmer kann sich nach Treu und Glauben nicht auf die Unwirksamkeit eines nach dem Policenmodell gem. § 5a Abs. 1 VVG a.F. geschlossenen Lebensversicherungsvertrages berufen und die Rückzahlung der jahrelang gezahlten Prämien verlangen, wenn er ordnungsgemäß belehrt wurde und den Vertrag jahrelang und unter Vereinbarung von Änderungswünschen durchgeführt hat.

 

Normenkette

BGB § 280 Abs. 1, § 812 Abs. 1 S. 1, § 818 Abs. 1; VVG a.F. § 5a Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Urteil vom 28.08.2014; Aktenzeichen 6 O 1529/13)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Bremen vom 28.8.2014 (Az.: 6 O 1529/13) wird zurückgewiesen. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrages nach erklärtem Widerspruch durch die Klägerin.

Die Klägerin beantragte bei der Beklagten unter dem 4.10.2004 den Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung. Unter dem 13.10.2004 bestätigte die Beklagte der Klägerin den beantragten Vertragsschluss und übersandte den Versicherungsschein, die zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen und eine allgemeine Verbraucherinformation. Auf der zweiten Seite (Rückseite) des Versicherungsscheins, auf dem ansonsten keine weiteren Angaben bis auf den Hinweis "Es gilt das Recht der Bundesrepublik Deutschland" gemacht wurden, befindet sich in Fettdruck und neben dem Wort "Widerspruchsrecht" folgende Belehrung:

"Der Vertrag gilt auf der Grundlage dieses Versicherungsscheins, der darin enthaltenen Versicherungsbedingungen und der ebenfalls für den Vertragsabschluss maßgeblichen Verbraucherinformationen als abgeschlossen, wenn sie nicht innerhalb von 30 Tagen in Textform widersprechen. Der Lauf dieser 30-tägigen Widerspruchsfrist beginnt, wenn ihnen die o.g. Unterlagen - einschließlich dieser Belehrung über das Widerspruchsrecht - vollständig vorliegen. Den Umfang einer vollständigen Information regelt § 10a Versicherungsauftragsgesetz (VAG) in Verbindung mit der Anlage D zu diesem Gesetz. Wenn Sie die Unterlagen nicht vollständig erhalten haben oder die Belehrung über das Widerspruchsrecht nicht erfolgte, erlischt abweichend von Satz 2 ihr Recht zum Widerspruch spätestens ein Jahr nach Zahlung des ersten Beitrags. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs."

Der Erhalt der Vertragsunterlagen (Anschreiben, Versicherungsschein, Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformation) steht zwischen den Parteien nicht in Streit.

Die Klägerin nahm die vertraglich geschuldeten Beitragszahlungen i.H.v. 250 EUR zum 1.11.2004 auf und leistete vereinbarungsgemäß die monatlichen Folgebeiträge. Im Mai 2009 wurden auf Wunsch der Klägerin eine Änderung hinsichtlich des Bezugsrechts sowie eine Veränderung der Fondsanlage vorgenommen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 31.5.2013 erklärte die Klägerin den Widerspruch gegen das Zustandekommen des Versicherungsvertrages sowie hilfsweise die Kündigung. Die Beklagte akzeptierte die Kündigung unter Zurückweisung des Widerspruchs und rechnete mit Schreiben vom 16.8.2013 über das Versicherungsverhältnis ab. Die Klägerin erhielt daraufhin von der Beklagten einen Betrag i.H.v. 21.628,33 EUR ausgezahlt. Einwände brachte die Klägerin hiergegen nicht vor.

Mit dem Hauptantrag begehrt die Klägerin Rückgewähr der geleisteten Prämien in voller Höhe zzgl. Zinsen als Nutzungsersatz; hilfsweise begehrt sie Auskunft und Rechenschaftslegung zur Berechnung einer Rückzahlung auf Basis des sog. Mindestrückkaufswertes.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die ihr erteilte Widerspruchsbelehrung sei unwirksam, weil der Begriff "Textform" nicht erläutert werde und eine Erläuterung der Rechte des Versicherungsnehmers nach Ausübung unterblieben sei. Ferner sei für den Versicherungsnehmer der Adressat für die Widerspruchserklärung nicht deutlich ersichtlich. Schließlich sei die Stellung der Belehrung auf Seite 2 (Rückseite) des 22-seitigen Versicherungsscheins so gewählt, dass diese nicht hinreichend ins Auge steche.

Die Regelung des § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a.F. ändere ebenfalls nichts an einem wirksamen Widerspruch. Es schade nicht, dass die Klägerin die Jahresfrist nicht eingehalten habe, weil die Regelung wegen Verstoßes gegen Art. 31 Abs. 1 i.V.m. Anhang II A der Richtlinie 92/96 EWG bzw. Art. 36 Abs. 1 i.V.m. Anhang III A der Richtlinie 2002/83/EG europarechtswidrig und deswegen unwirksam sei. Im Übrigen s...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge