Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückabwicklung eines nach dem "Policenmodell" geschlossenen Lebensversicherungsvertrages; Verwirkung des Widerspruchsrechts
Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen der Rückabwicklung eines nach dem "Policenmodell" geschlossenen Lebensversicherungsvertrages ist ein etwaiges Widerspruchsrecht jedenfalls gemäß § 242 BGB verwirkt, wenn ein Versicherungsnehmer den Widerspruch nicht nur mehr als 16 Jahre nach Vertragsschluss und mehr als fünf Jahre nach der Kündigung erklärt und die Versicherungsprämien regelmäßig gezahlt, sondern darüber hinaus in sechs Fällen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, den Versicherungsvertrag zur Sicherung eines Darlehens zu nutzen.
Normenkette
BGB § 812 Abs. 1 S. 1, § 818 Abs. 1; VVG a.F. § 5 Buchst. a; VVG § 8
Verfahrensgang
LG Bremen (Urteil vom 14.11.2013; Aktenzeichen 6 O 2007/12) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Bremen vom 14.11.2013 (Az.: 6 O 2007/12) wird zurückgewiesen. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrages.
Die Klägerin beantragte bei der Beklagten unter dem 30.08.1996 den Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung. Unter dem 20.09.1996 bestätigte die Beklagte der Klägerin den beantragten Vertragsschluss und übersandte den Versicherungsschein zur Vers.-Nr. [...], die zu Grunde liegenden Versicherungsbedingungen und eine allgemeine Verbraucherinformation. Im Anschreiben fand sich eine Belehrung, für deren Inhalt und Gestaltung auf Bl. 37 d.A. verwiesen wird. Der Erhalt der Vertragsunterlagen ist unstreitig.
Im Folgenden zahlte die Klägerin den Einlösungsbetrag und leistete die monatlichen Folgebeiträge. Zwischen den Jahren 1999 und 2006 schloss die Klägerin insgesamt sechs Darlehensverträge mit der Beklagten und nutzte die streitgegenständliche Lebensversicherung jeweils als Sicherheit. Die Klägerin kündigte den Lebensversicherungsvertrag unter dem 07.08.2007. Die Beklagte rechnete wie aus dem Abrechnungsschreiben vom 30.08.2007 ersichtlich (vgl. Bl. 83 d.A.) ab und zahlte einen Betrag i.H.v. 2.581,34 EUR aus. Die Klägerin beanstandete dies zunächst nicht.
Mit Schreiben vom 04.10.2012 erklärte die Klägerin den Widerspruch nach den §§ 5 Buchst. a, 8 VVG alte Fassung und widerrief den Vertrag gemäß den §§ 7 VerbrKrG bzw. den §§ 495, 355 BGB. Im Verlauf des Verfahrens hat sie erklärt, aus dem Widerruf keine Rechte mehr herleiten zu wollen.
Die Klägerin begehrt die Rückgewähr der geleisteten Prämien zuzüglich Zinsen, hilfsweise Auskunft und Rechenschaftslegung zur Berechnung einer Rückzahlung auf Basis des Mindestrückkaufswertes, der vorliegend unstreitig 8.596,00 EUR beträgt.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Widerspruchsbelehrung sei unwirksam. Deshalb gelte für sie grundsätzlich die Jahresfrist gemäß § 5 Buchst. a Abs. 2 S. 4 VVG alte Fassung. Dass sie auch diese nicht eingehalten habe, sei unschädlich, weil diese Regelung europarechtswidrig und deshalb unwirksam sei. Im Übrigen seien die §§ 5 Buchst. a und 8 VVG alte Fassung, wie auch das Policenmodell an sich, insgesamt gemeinschaftsrechtswidrig. Zudem stünden ihr Schadensersatzansprüche wegen Beratungspflichtverletzungen zu. Hilfsweise sei zu berücksichtigen, dass die Berechnung des ausgekehrten Rückkaufswertes unwirksam sei, so dass sie Rechnungslegung und Auskunft verlangen könne.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 13.377,66 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.11.2012 zu zahlen.
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 1.303,53 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Hilfsweise hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
1. in prüfbarer und - soweit für die Prüfung erforderlich - belegter Form darüber Auskunft zu erteilen, mit welchen Abschlusskosten die Beklagte den Zeitwert nach § 176 Abs. 3 VVG und welchem Abzug sie die Auszahlungsbeträge für den abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag belastet hat,
2. die von der Beklagten erteilten Auskünfte durch die Vorlage entsprechender Unterlagen zu belegen,
3. gegebenenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskünfte an Eides statt zu versichern und
4. die Beklagte zur Zahlung eines Betrages in einer nach der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 1.9.2011 zu verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Widerspruchsbelehrung sei inhaltlich ausreichend und wirksam. ...