Normenkette
AKB § 12 Nr. 1 S. 2e, § 13
Verfahrensgang
LG Bremen (Aktenzeichen 1 0 690/01a) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Bremen vom 3.7.2001 abgeändert und das Versäumnisurteil der 1. Zivilkammer des LG Bremen vom 26.4.2001 aufrechterhalten.
Die Beklagte trägt die weiteren Kosten der ersten Instanz sowie die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Der Kläger war Eigentümer eines bei der Beklagten vollkasko-versicherten PKW Mercedes-Benz mit einer Selbstbeteiligung von 1.000 DM. Bei einem Verkehrsunfall in Italien kam es zwischen dem Fahrzeug des Klägers und einem bevorrechtigten PKW zu einem Verkehrsunfall, weil der Kläger ein Stoppschild übersehen hatte, das rechts vor der Straßeneinmündung stand. Am Fahrzeug des Klägers entstand unfallbedingt ein Schaden von 22.413,16 DM. Die Beklagte lehnte die beantragte Versicherungsleistung mit der Begründung ab, der Kläger habe den Versicherungsfall grobfahrlässig verursacht, weshalb sie nach § 61 VVG leistungsfrei sei.
Der Kläger hat nach Abzug der Selbstbeteiligung einen Betrag von 21.413,16 DM eingeklagt. Er hat vorgetragen, er habe das Stoppschild übersehen, weil er ortsfremd und auf der Suche nach seinem Hotel gewesen sei. Die Sicht auf das Stoppschild sei zudem durch die rechts einfallenden Sonnenstrahlen und die auf der Beifahrerseite herabgeklappte Sonnenblende beeinträchtigt gewesen. Aus den überreichten Fotos von der Unfallstelle ergebe sich ferner, dass die Haltelinie aufgrund der durch die Sonneneinstrahlung bewirkten Licht- und Schattenbildung auf der Fahrbahn nur schlecht erkennbar gewesen sei und sich nur unwesentlich von dem Seitenstreifen neben der Fahrbahn abgehoben habe. Er sei auch nur mit minimaler Geschwindigkeit in den Kreuzungsbereich eingefahren und kurz hinter der Haltelinie zum Stehen gekommen.
Die Beklagte hat den Vortrag des Klägers bestritten und die Ansicht vertreten, das Überfahren eines Stoppschildes sei ebenso wie die Missachtung des Rotlichts einer Verkehrsampel generell grobfahrlässig.
Das LG hat der Klage durch Versäumnisurteil vom 26.4.2001 zunächst stattgegeben, auf den Einspruch der Beklagten jedoch durch Urteil vom 3.7.2001 das Versäumnisurteil vom 26.4.2001 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Der Klage ist nach §§ 12 Nr. 1 IIe, 13 AKB stattzugeben. Der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit gegenüber dem Kläger ist nicht gerechtfertigt, sodass die Beklagte nicht nach § 61 VVG leistungsfrei geworden ist.
Grobe Fahrlässigkeit setzt neben einem schweren Verkehrsverstoß gegen die objektive Sorgfalt voraus, dass zugleich die im Verkehr erforderliche Sorgfalt durch ein auch subjektiv unentschuldbares Fehlverhalten in hohem Masse außer Acht gelassen wird. Es muss sich auch in subjektiver Hinsicht um ein gegenüber einfacher Fahrlässigkeit gesteigertes Verschulden handeln (vgl. BGH v. 14.7.1986 – IVa ZR 22/85, VersR 1986, 962 [963] = MDR 1987, 34 [35]). Davon kann hier nicht die Rede sein. Der Senat ist der Auffassung, dass das Überfahren eines Stoppschildes, selbst wenn es gut sichtbar aufgestellt sein sollte, noch nicht den Vorwurf grober Fahrlässigkeit begründen kann. Denn die Nichtbeachtung eines Stoppschildes kann nicht generell der Missachtung einer Rotlicht zeigenden Verkehrsampel gleichgesetzt werden, weil der durch das Rotlicht hervorgerufene optische Effekt bei einem Stoppschild trotz dessen auffallender Form und der roten Farbe nicht in gleicher Weise gegeben ist (vgl. OLG Hamm v. 16.10.1992 – 20 U 125/92, OLGReport Hamm 1993, 107 = VersR 1993, 826 [827]; KG v. 12.12.2000 – 6 U 2803/99, KGReport Berlin 2001, 108 = MDR 2001, 748).
Von grober Fahrlässigkeit kann nach Auffassung des Senats erst dann gesprochen werden, wenn der Versicherungsnehmer außer dem Stoppschild auch andere Warnhinweise nicht beachtet hat, wie zusätzliche Hinweis- und Gebotszeichen (Geschwindigkeitsbegrenzung, Darstellung der vorfahrtsberechtigten kreuzenden Straße auf einem Vorwegweiserschild, eine bei Annäherung deutlich optisch sichtbare Vorfahrtsberechtigung der kreuzenden Straße) oder wenn auch am linken Straßenrand ein Stoppschild aufgestellt gewesen ist, so dass die Situation der bevorrechtigten Straße wenigstens unmittelbar vor dieser deutlich aufgezeigt worden ist (vgl. OLG Nürnberg NJW-RR 1996, 988; OLG Hamm v. 16.10.1992 – 20 U 125/92, OLGReport Hamm 1993, 107 = VersR 1993, 826; KG v. 12.12.2000 – 6 U 2803/99, KGReport Berlin 2001, 108 = MDR 2001, 748; OLG Zweibrücken v. 12.7.1991 – 1 U 30/91, VersR 1993, 218; OLG Oldenburg r + s 1995, 42 [43]; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl., § 8 StVO Rz. 69). Derartige zusätzlich Zeichen hat es hier nicht gegeben. Ein Stoppschild war lediglich am rechten Straßenrand aufgestellt.
Der ortsunkundige Kläger ist auch nicht mit überhöhter Geschwindigkeit in die Kreuzung eingefahren, sondern offensichtlich langsam in die bevorrechtigte Straße eingebogen. Den vorgelegten Fotos von der ...