Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilweise Zulassung der Berufung; Anspruch auf Ausgleichszahlung des Fluggastes bei verspäteter Ankunft am Endziel, weil der erste von mehreren gebuchten Flügen Verspätung hatte

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine lediglich teilweise Zulassung der Berufung ist nach den Maßstäben zulässig, wie sie für eine beschränkte Revisionszulassung entwickelt worden sind. Die teilweise Zulassung der Berufung ist insbesondere zulässig, wenn es sich um einen dem Teilurteil und einer Rechtsmittelbeschränkung zugänglichen selbständigen Teil des Streitstoffes handelt.

2. Hat der Fluggast bei derselben Fluggesellschaft mehrere Flüge (Zubringer- und Anschlussflug) gebucht, um zu seinem Endziel zu gelangen und hat er bei Antritt des Zubringerfluges auch bereits die Bordkarte für den Anschlussflug erhalten, hat er einen Anspruch auf Ausgleichszahlung gegen die Fluggesellschaft, wenn zwar der letzte Flug planmäßig abfliegt und ankommt, er diesen Flug aber wegen einer Verspätung des ersten Fluges nicht erreichen konnte und er sein Endziel erst mit einer Verspätung von mehr als vier Stunden erreicht.

 

Normenkette

GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1b) (in der bis zum 31.8.2009 geltenden Fassung); ZPO § 17 Abs. 1, § 520 Abs. 2 S. 1, § Abs. 3 S. 2; FluggastrechteVO Art. 2 Buchst. j, l, Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2, Art. 4 Abs. 3, Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 2 Buchst. a-c, Art. 8 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Bremen (Urteil vom 08.05.2007; Aktenzeichen 4 C 420/06)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 09.12.2010; Aktenzeichen Xa ZR 80/10)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des AG Bremen vom 8.5.2007 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger Sicherheit von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Kläger nehmen aus einer vom Kläger zu 1. gebuchten und von der Klägerin zu 2. durchgeführten Flugreise die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz sowie auf anteilige Rückzahlung eines Flugpreises in Anspruch. Die Beklagte will eine Aktiengesellschaft französischen Rechts sein und in Deutschland keine Niederlassung haben.

Der Kläger zu 1. buchte Anfang Mai 2006 im Reisebüro C. in Wilhelmshaven für seine Ehefrau, die Klägerin zu 2., eine Flugreise mit dem Flugunternehmen der Beklagten nach Asuncion (Paraguay) und zurück. Nach dem Beförderungsvertrag verpflichtete sich die Beklagte, die Klägerin zu 2. am 16.5.2006 um 6:30 Uhr von Bremen nach Paris (geplante Ankunft: 7:55 Uhr), um 10:15 Uhr von Paris nach Sao Paulo (Ankunft: 17:25 Uhr) sowie von dort um 22:30 Uhr nach Asuncion zu fliegen; als planmäßige Ankunft in Asuncion war 23:30 Uhr vorgesehen.

Der Abflug von Bremen nach Paris mit einem Flugzeug der Beklagten verzögerte sich bis kurz vor 9:00 Uhr. Die bereits bei Flugantritt in Bremen mit Bordkarten für die gesamte Reise versehene Klägerin zu 2. erreichte Paris erst nach dem planmäßig für 10:15 Uhr vorgesehenen Anschlussflug von Paris nach Sao Paulo, der gleichfalls mit einer Maschine der Beklagten erfolgen sollte und Paris um 10:21 Uhr verließ (Ankunft in Sao Paulo: 17:26 Uhr). Die Klägerin zu 2. wurde von der Beklagten auf einen späteren Flug umgebucht, der Paris um 23:15 Uhr verließ. Die Klägerin zu 2. erreichte in Sao Paulo den für 22:30 Uhr vorgesehenen Flug nach Asuncion mit einer Maschine der Fluggesellschaft T. nicht; sie landete schließlich mit einem späteren Flug der T. in Asuncion am 17.5.2006 um 10:30 Uhr. Ihr Gepäck erreichte Asuncion erst am 29.5.2006.

Mit der vorliegenden Klage haben die Kläger die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten von EUR 163,27 nebst Zinsen sowie die Zahlung von EUR 1.655,19 nebst Zinsen an sie als Gesamtgläubiger verlangt. Die Klägerin zu 2. hat in Paris Nahrungsmittel für EUR 14,40, in Asuncion Textilien und Drogerieartikel für umgerechnet EUR 396,70 erworben. Die Kläger haben ferner als Schadenspauschale erforderlich gewordene Telefonkosten von EUR 25 sowie weitere EUR 102 vom Kläger zu 1. zu zahlende Selbstbeteiligung bei der Rechtsschutzversicherung verlangt. Schließlich haben sie eine Flugpreisminderung von EUR 517,09 sowie einen Schadensersatz von EUR 600 nach der VO/EG Nr. 261/2004 vom 11.2.2004 (im Folgenden: FluggastrechteVO) geltend gemacht.

Die Beklagte hat die Klagansprüche bestritten.

Das AG Bremen hat mit Urteil vom 8.5.2007 die Beklagte verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger EUR 25,85 sowie an die Klägerin zu 2. weitere EUR 931,76 jeweils nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.9.2006 zu zahlen, und die weitergehende Klage abgewiesen.

Der Klägerin zu 2. stehe ein Schadensersatzanspruch von EUR 600 wegen eines um 13 Stunden verspäteten Weiterflugs von Paris nach Sao Paulo aus Art. 4 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Buchst. c FluggastrechteVO zu. Wenn - w...

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