Leitsatz (amtlich)
Es stellt keinen Verstoß gegen die gesteigerte Sorgfaltspflicht in § 14 I StVO dar, wenn eine Mutter beim Anschnallen ihres Kindes in einem an der Straße parkenden Pkw die hintere Tür auf der Fahrerseite des Pkw öffnet und diese Tür von einem herannahendem Pkw allein deshalb beschädigt wird, weil der Fahrer den erforderlichen Seitenabstand nicht eingehalten hat.
Verfahrensgang
LG Bremen (Urteil vom 07.01.2008; Aktenzeichen 6 O 1479/07) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Bremen - 6. Zivilkammer - vom 7.1.2008 (Az.: 6-O-1479/07) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 4.856,66 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7.6.2007 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug tragen die Beklagten 80 % und der Kläger 20 %.
Die Kosten der Berufung tragen die Beklagten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenseite vorher Sicherheit i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.
Der Wert der Berufung wird auf 1.214,16 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von dem Beklagten Ersatz des ihm infolge eines Verkehrsunfalls vom 15.12.2006 an seinem Pkw entstandenen Sachschadens.
Die Frau des Klägers, die Zeugin A., war am Unfalltag gegen 17.20 Uhr mit dem Wagen und ihren beiden kleinen Kindern in Bremerhaven unterwegs. Sie parkte, was dort erlaubt ist, am rechten Fahrbahnrand des D.-Wegs Höhe Haus Nr. 36 (in Richtung M.-Weg). Nachdem sie Einkäufe erledigt hatte, kam die Zeugin zu dem - 4-türigen - Pkw zurück und setzte von der Beifahrerseite aus zunächst ihren Sohn auf seinen Kindersitz und schnallte ihn an. Dann ging sie - ohne dass ein herannahendes Fahrzeug zu sehen gewesen wäre - mit der jüngeren Tochter auf dem Arm von hinten um den Wagen herum, um das Kind von der Fahrerseite aus hinzusetzen. Als sie, am Fahrbahnrand stehend, die hintere Fahrzeugtür zu Dreiviertel geöffnet hatte, vergewisserte sie sich nochmals der Verkehrslage und schnallte die Tochter an. In diesem Moment fuhr der 83-jährige Beklagte zu 1. in der Annahme ausreichenden Abstand gewahrt zu haben, gegen die in die Fahrbahn hineinragende Tür des Klägerfahrzeuges. Die Tür schlug um, so dass Sachschaden in - unstreitiger - Höhe der vom Kläger vor dem LG erhobenen Klagforderung von insgesamt 6.070,82 EUR entstand.
Das LG hat die Behauptung des Beklagten zu 1., sein Sicherheitsabstand zu dem parkenden PKw hätte ausgereicht, wenn sich die Tür nicht unmittelbar vor der Kollision plötzlich noch weiter geöffnet hätte, nach Vernehmung der Zeugin A. widerlegt gesehen und ihn - bei Annahme einer Haftungsquote von 3/5 zu Lasten der Beklagten - als Gesamtschuldner neben seiner Haftpflichtversicherung, der Beklagten zu 2., verurteilt an den Kläger 3.642,92 EUR nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit (8.6.2007 bzw. 11.6.2007) zu zahlen. Dem Kläger sei ein Mitverursachungs- und Verschuldensbeitrag der Zeugin A. von 2/5 zuzurechnen. Ihr sei es ohne weiteres möglich gewesen, auch die Tochter von der Beifahrerseite aus ins Auto setzen, um den für den Autoverkehr vorgesehenen Verkehrsraum überhaupt nicht erst in Anspruch zu nehmen. Gemäß § 14 I StVO müsse sich derjenige, der ein- oder aussteige so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sei.
Der Kläger hält die vom LG ausgeworfene Haftungsquote für übersetzt und einen eigenen Anteil von allenfalls 1/5 für angemessen, was einen über die bereits titulierte Summe hinausgehenden Forderungsbetrag von 1.213,74 EUR ausmacht (4/5 von 6.070,82 EUR = 4.856,66 EUR -3.642,92 EUR = 1.213,74 EUR). Nach Korrektur eines Rechenfehlers um 0,42 EUR und nach Rückführung des Zinsanspruchs beantragt er, die Beklagten unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger weitere EUR 1.213,74 nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.
Die Beklagten verteidigen das Urteil des LG und beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
II. Die zulässige Berufung ist begründet.
Dem Kläger steht ggü. den Beklagten ein Anspruch auf Ersatz eines weiteren Fünftels seines Gesamtsachschadens aus §§ 7 I, 17 II, 9 StVG, 823 BGB, 3 Nrn. 1, 2 PflVG zu.
Die gem. § 17 I, 18 StVG gebotene Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile der Fahrzeugführer führt zu dem Ergebnis, dass die Beklagten den Schaden des Klägers - wie mit der Berufung begehrt (vgl. § 528 ZPO) - nach einer Quote von (mindestens) 4/5, d.h. i.H.v. insgesamt 4.856,66 EUR zu ersetzen haben.
Wenn sich die Tür des Klägerfahrzeuges, was nach dem Beweisergebnis des LG feststeht (§ 529 ZPO), unmittelbar vor der Kollision nicht weiter geöffnet hat, hat der Beklagte zu 1) die wesentliche Unfall...