Entscheidungsstichwort (Thema)
Volksverhetzung. Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Völkermord. Meinungsäußerungsfreiheit
Leitsatz (amtlich)
1. Der Wortlaut des § 130 Abs. 3 StGB ist allein auf die Billigung, Leugnung und Verharmlosung von unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Taten nach § 6 Abs. 1 VStGB bezogen und umfasst damit den Völkermord, nicht aber die weiteren dem Völkermord vorangegangenen Maßnahmen der Ausgrenzung, Schikanierung und Rechtlosstellung von Juden unter dem nationalsozialistischen Unrechtsregime.
2. Die Verwendung eines verfremdeten sogenannten Judensterns als Kritik an der Situation ungeimpfter Personen unter den Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie (sogenannter Ungeimpft-Stern) verwirklicht nicht den Tatbestand einer Volksverhetzung nach § 130 Abs. 3 StGB, wenn die Verwendung dieses Zeichens nach den tatrichterlichen Feststellungen unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls auf Maßnahmen der Ausgrenzung, Schikanierung und Rechtlosstellung von Juden bezogen zu verstehen ist, nicht aber auf den an ihnen unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Völkermord..
Normenkette
StGB § 86a Abs. 1, § 130 Abs. 3-4; VStGB § 6 Abs. 1; GG Art. 5
Verfahrensgang
LG Bremen (Entscheidung vom 12.12.2023) |
Tenor
Die Revision der Staatsanwaltschaft Bremen gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 12.12.2023 wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sowie die dem Angeklagten erwachsenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Mit Urteil vom 28.11.2022 verhängte das Amtsgericht Bremen-Blumenthal gegen den Angeklagten wegen Volksverhetzung in 2 Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, eine Gesamtgeldstrafe von 145 Tagessätzen zu je 40,- EUR. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte Berufung ein. Mit Urteil der Strafkammer 52 des Landgerichts Bremen vom 12.12.2023 wurde auf die Berufung des Angeklagten das Urteil vom 28.11.2022 abgeändert und der Angeklagte wurde freigesprochen.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen zu den vorgeworfenen Taten getroffen, bei denen der Angeklagte jeweils wie folgt Bilder auf seinem grundsätzlich öffentlich zugänglichen Profil in einem sozialen Netzwerk postete:
"1) Am 22.08.2021 postete der Angeklagte mutmaßlich von seinem Wohnort aus auf seinem grundsätzlich öffentlich zugänglichen ...-Profil "..." einen gelben Davidstern mit der Aufschrift "NICHT GEIMPFT". Über diesem Abbild ist die Überschrift "Die Jagd auf Menschen kann nun wieder beginnen" vermerkt.
2) Am 17.11.2021 postete der Angeklagte mutmaßlich von seinem Wohnort aus auf seinem grundsätzlich öffentlich zugänglichen ...-Profil "..." ein bearbeitetes Bild, welches auf der oberen Hälfte das Abbild Adolf Hitlers mit der Aufschrift "1935 Juden sollten nur noch Zugang zu ihrem Arbeitsplatz zu Lebensmittelgeschäften Drogerien und Apotheken haben" und auf der unteren Hälfte den Bundesminister für Gesundheit Karl Lauterbach mit der Aufschrift "2021 Ungeimpfte sollten nur noch Zugang zu ihrem Arbeitsplatz, zu Lebensmittelgeschäften, Drogerien und Apotheken haben - Karl Lauterbach" zeigte. Dieses Bild kommentierte er selbst mit dem Zusatz "Ich sehe null Parallelen" und einem monokeltragenden sog. Emoji.
Hintergrund der Veröffentlichungen war es, dass der Angeklagte die Coronapolitik der Bundesregierung, insbesondere die Beschränkungen für Nichtgeimpfte und für Kinder stark ablehnte und sich durch sie ausgegrenzt fühlte. Die bearbeiteten Bilder hatte er selbst beim Surfen in sozialen Netzen gefunden und so wie kopiert auf seinem ...-Konto geteilt."
Gegen dieses Urteil legte die Staatsanwaltschaft Bremen mit Verfügung vom 12.12.2023, die am 13.12.2023 beim Landgericht einging, Revision ein. Die schriftlichen Urteilsgründe sind am 11.01.2024 bei der Staatsanwaltschaft eingegangen und die Revision wurde mit Verfügung vom 05.02.2024 begründet. Die Staatsanwaltschaft rügt die Verletzung materiellen Rechts.
Die Generalstaatsanwaltschaft Bremen hat am 25.03.2024 Stellung genommen und beantragt, auf die Revision der Staatsanwaltschaft Bremen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 12.12.2023 mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an eine andere Kammer des Landgerichts Bremen zurückzuverweisen.
Der Verteidiger des Angeklagten hat mit Schriftsätzen vom 22.02.2024 und 10.04.2024 Stellung genommen und beantragt, die Revision zu verwerfen.
II.
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist statthaft (§ 333 StPO), form- und fristgerecht eingelegt (§ 341 StPO) und begründet worden (§§ 344, 345 StPO) und damit zulässig. Die Revision ist aber nicht begründet. Die Nachprüfung des Urteils der Strafkammer 52 des Landgerichts Bremen vom 12.12.2023 zeigt auf die mit der Revision der Staatsanwaltschaft allein erhobene Sachrüge keine Rechtsfehler des Urteils auf. Entgegen dem Revisionsvorbringen und der Auffassung der Generalstaa...