Leitsatz (amtlich)

Die ausschließliche Zuständigkeit des landesweit für Kartellzivilsachen zuständigen Kartellsenats des OLG umfasst in entsprechender Anwendung der § 87 Abs. 1, § 91 GWB auch die Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO und geht insoweit der Zuständigkeit des ansonsten nach § 36 Abs. 2 ZPO berufenen OLG vor.

 

Normenkette

ZPO § 36; GWB §§ 87, 91-92

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Aktenzeichen 21 O 16/10)

 

Tenor

Das AG Göttingen ist zuständig.

 

Gründe

I. Die Klägerin, ein Energieversorgungsunternehmen, nimmt die Beklagte auf Zahlung von offenen Rechnungsbeträgen i.H.v. 573,17 EUR aus den Abrechnungen der Jahre 2005 - 2008 in Anspruch.

Sie stützt ihren Anspruch auf den mit der Beklagten geschlossenen Strom und Gaslieferungsvertrag. Die Beklagte hält die Erhöhungen des Arbeitspreises für Erdgas in dem von der Klägerin vorgenommenen Umfang für unberechtigt und fordert von ihr eine Offenlegung ihrer Kalkulationsgrundlage. Auf die Verfügung des AG Göttingen vom 8.2.2010, in der das Gericht die von der Beklagten vorgebrachten Einwände als Geltendmachung kartellrechtlicher Verstöße nach §§ 19, 20 GWB bewertete, die gem. den §§ 87, 89 GWB i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 1 Nds. ZustVO-Justiz in die ausschließliche Zuständigkeit der 1. Kammer für Handelssachen des LG Hannover fielen, hat die Klägerin hilfsweise die Verweisung des Rechtsstreits an das LG Hannover beantragt. Zugleich hat sie aber darauf hingewiesen, dass eine kartellrechtliche Zuständigkeit mangels hinreichend substantiierten Tatsachenvortrags nicht in Betracht komme. Ohne weitere Begründung hat das AG Göttingen sich mit Beschluss vom 2.3.2010 für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das LG Hannover, 1. Kammer für Handelssachen, verwiesen.

Die 21. Zivilkammer (1. Kammer für Handelssachen) des LG Hannover hat sich nach Anhörung der Parteien mit Beschluss vom 1.4.2010 ebenfalls für sachlich unzuständig erklärt und den Kartellsenat des OLG Celle um Bestimmung des zuständigen Gerichts gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ersucht. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass seine Zuständigkeit nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 der Nds. ZustVO-Justiz (jetzt: § 7 Abs. 1 Nr. 1 Nds. ZustVOJustiz n.F.) nicht gegeben sei, da die Klage weder auf einer kartellrechtlichen Anspruchsgrundlage beruhe, noch kartellrechtliche Fragen von den Parteien zur Begründung ihrer Forderung oder ihrer Einwendung geltend gemacht worden seien. Dem Verweisungsbeschluss des AG Göttingen komme keine Bindungswirkung i.S.d. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO zu, da die Verweisung mangels Parteivorbringens mit kartellrechtlichem Bezug objektiv willkürlich erscheine.

II.1. Der Kartellsenat des OLG Celle ist gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO i.V.m. § 91 GWB entsprechend für die Zuständigkeitsbestimmung zuständig.

Zwar sieht § 36 Abs. 2 ZPO grundsätzlich vor, dass in den Fällen, in denen nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO der BGH für die Bestimmung von LG und AG verschiedener Oberlandesgerichtsbezirke zuständig wäre, an dessen Stelle nunmehr dem OLG die Zuständigkeitsbestimmung obliegt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört. In Kartellsachen geht die gesetzliche Zuständigkeit des Kartellsenats analog § 87 Satz 1, § 91 GWB aber derjenigen der allgemeinen Zivilsenate auch in Frage der Zuständigkeitsbestimmung vor. Demzufolge hat der Kartellsenat eines OLG, bei dem die Kartellzivilsachen durch Rechtsverordnung nach § 92 Abs. 1 i.V.m. § 93 GWB in einem Land konzentriert sind, als das nächst höhere Gericht auch dann zu entscheiden, wenn zwei LG desselben Oberlandesgerichtsbezirks über die kartellrechtliche Zuständigkeit streiten und das übergeordnete (gemeinsame) OLG keinen Kartellsenat hat (Dicks in: Loewenheim/MeessenRiesenkampff, Kartellrecht 2. Aufl., § 87 Rz. 29 mit Hinweis auf: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.7.2005 - VIW (Kart) 6/05). Dasselbe gilt, wenn - wie hier - die beiden über die kartellrechtliche Zuständigkeit streitenden Gerichte zu unterschiedlichen Oberlandesgerichtsbezirken eines Landes gehören, allerdings bei einem OLG die Kartellsachen landesweit konzentriert sind. Da der erkennende Kartellsenat des OLG Celle gem. § 7 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 der Niedersächsischen Verordnung zur Regelung der Zuständigkeiten in der Gerichtsbarkeit und der Justizverwaltung vom 18.12.2009 - ZustVOJustiz, (früher: § 14 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 Nds. ZustVOJustiz a.F.) aufgrund der landesweit erstinstanzlichen Zuständigkeit des in seinem Bezirk gelegenen LG Hannover in Kartellzivilsachen ausschließlich nach § 95 GWB für diese Entscheidungen in Niedersachsen zuständig ist, geht diese ausschließliche Zuständigkeit nach § 91 GWB i.V.m. § 87 GWB analog der Zuständigkeit des ansonsten nach § 36 Abs. 2 ZPO berufenen OLG Braunschweig vor.

2. Das für den Rechtsstreit zuständige Gericht ist gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu bestimmen, nachdem sich sowohl das AG Göttingen als auch das LG Hannover für unzuständig erklärt haben.

Das AG Göttingen ist gem. § 23 Nr. 1 GVG, § 13 ZPO sachlich und örtlich zuständig, da eine ...

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