Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    § 28 Abs. 4 Ziff 4 FeV ist mit EU-Recht vereinbar.

  • 2.

    Eine von einer Behörde der Tschechischen Republik für einen Deutschen mit Wohnsitz im Inland während des Laufs einer von einem deutschen Gericht verhängten Sperrfrist erteilte EU-Fahrerlaubnis berechtigt auch nach Ablauf der Sperrfrist nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland (im Anschluss an EuGH, Beschluss vom 03.07.2008, C-225/07).

  • 3.

    Zur Frage der Vermeidbarkeit eines Verbotsirrtums bei unklarer Rechtslage.

 

Verfahrensgang

LG V. (Entscheidung vom 17.07.2008)

 

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 13. kleinen Strafkammer des Landgerichts V. vom 17. Juli 2008 wird als unbegründet verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

 

Gründe

I.

Der Angeklagte war vom Amtsgericht R. am 4. März 2008 wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen á 20 EUR verurteilt worden. Das Amtsgericht hatte ferner dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist von einem Jahr und sechs Monaten verhängt. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Berufung des Angeklagten gegen dieses Urteil verworfen. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils ist der Angeklagte in den neunziger Jahren dreimal wegen Trunkenheit im Straßenverkehr verurteilt worden, zuletzt am 26. März 1996 zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, und einer Führerscheinsperre bis zum 25. März 1997. Am 4. Juli 1997 ist dem Verurteilten auf der Grundlage eines negativen medizinisch-psychologischen Gutachtens die Fahrerlaubnis der Klassen 1 B und 3 vom Landkreis R. versagt worden. Am 5. Oktober 2001 hat der Landkreis V. dem Angeklagten auf seinen Antrag die Fahrerlaubnis der Klassen A und B versagt, nachdem er ein medizinisch-psychologisches Gutachten nicht beigebracht hatte. Mit Bescheid vom 15. Mai 2002 hat die Führerscheinbehörde des Landkreises V. dem Angeklagten erneut die Fahrerlaubnis versagt, weil er zur Trunksucht neigt. Am 15. Februar 2005 verurteilte das Amtsgericht A. den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen á 20 EUR. Es wurden ferner ein Fahrverbot von drei Monaten und eine - isolierte - Fahrerlaubnissperre bis zum 21. Februar 2007 verhängt.

Nach Ablauf der Sperre, nämlich am 5. April 2007, fuhr der Angeklagte mit einem Pkw gegen 23:47 Uhr in der Gemarkung R. auf der Bundesstraße 215, wobei eine Überschreitung der dort zugelassenen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 40 km/h gemessen wurde. Er führte eine tschechische EU-Fahrerlaubnis mit sich, die ihm am 15. März 2006 für die Klasse B ausgestellt worden war und in der als Wohnort des Angeklagten "O. in der Bundesrepublik" angegeben worden ist. Der Angeklagte wohnte zum Zeitpunkt der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis, zur Tatzeit und auch zum Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung in O.

Die Kammer kommt auf der Grundlage dieser Feststellungen zum Schuldspruch wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, da die Berechtigung zum Führen einer EU-Fahrerlaubnis im Inland gemäß § 28 Abs. 1 FeV nach § 28 Abs. 4 FeV für den Angeklagten nicht gelte. Die Voraussetzungen von § 28 Abs. 4 Ziff. 2, 3 und 4 träfen alle auf den Angeklagten zu, was diesem auch bekannt gewesen sei. Dies sei im Anschluss an die EuGH-Entscheidung vom 26. Juni 2008 (Az. C 329/06 und C 343/06) auch mit EU-Recht vereinbar. Die Kammer geht davon aus, dass der Angeklagte sich bei der Benutzung des tschechischen Führerscheines in einem vermeidbaren Verbotsirrtum nach § 17 StGB befunden habe, da dem Angeklagten aus der umfangreichen Medienberichterstattung in Presse, Funk und Fernsehen bekannt gewesen sei, dass in Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zur Tatzeit umstritten gewesen sei, ob derartige EU-Führerscheine zum Fahren im Inland berechtigen, weshalb der Angeklagte sich darüber bei der Verwaltungsbehörde hätte erkundigen müssen.

Gegen dieses Urteil wendet der Angeklagte sich mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechtes rügt und einen Freispruch erstrebt. Der Anwendung von § 28 Abs. 4 FeV stehe EU-Recht entgegen, jedenfalls aber habe sich der Angeklagte in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden.

II.

Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.

Die landgerichtlichen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Die nach § 28 Abs. 1 FeV grundsätzlich bestehende Berechtigung, als Inhaber einer gültigen EU-Fahrerlaubnis im Inland Kraftfahrzeuge zu führen, wird durch § 28 Abs. 4 FeV eingeschränkt. Für den Angeklagten gilt, dass dieser jedenfalls aufgrund der in § 28 Abs. 4 Ziff. 4 FeV normierten Einschränkung nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt war und ist.

Nach § 28 Abs. 4 Ziff. 4 FeV gilt die Berechtigung nach § 28 Abs. 1 FeV nicht für Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis, denen aufgrund ...

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