Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer in der tschechischen Republik für einen Deutschen mit Wohnsitz im Inland während des Laufs einer von einem deutschen Gericht verhängten Sperrfrist erteilten Fahrerlaubnis. Vermeidbarkeit eines Verbotsirrtums
Leitsatz (amtlich)
In Hinblick auf den Beschluss des Europäischen Gerichtshofs vom 3.7.2008 - C-225/07 - hält der Senat nicht mehr an seiner früher vertretenen Auffassung fest, dass der Inhaber einer in einem anderen Mitgliedstaat der EU erworbenen Fahrerlaubnis, gegen den im Inland eine Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis verhängt worden war und der erst nach Ablauf dieser Sperrfrist im Inland fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge führt, sich auch dann nicht wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafbar macht, wenn die EU-Fahrerlaubnis noch während der Sperrfrist erteilt worden war.
Tatbestand
Dem Angeklagten war die Fahrerlaubnis durch Urteil des Amtsgerichts A. vom 21.2.2006 entzogen worden. Weiterhin war eine Sperrfrist angeordnet worden, welche wegen nachträglicher Verkürzung am 21.7.2006 endete. Von der Sperrfrist ausgenommen waren Fahrzeuge der Führerscheinklasse L. Eine solche Fahrerlaubnis hatte der Angeklagte jedoch nicht wieder erworben.
Vielmehr war dem Angeklagten am 23.6.2006, also noch während des Laufs der Sperrfrist, eine Fahrerlaubnis der Klasse B durch die Verwaltungsbehörde des Magistrats R. in Tschechien ausgestellt worden. Dem Angeklagten war sowohl durch Schreiben der Fahrerlaubnisbehörde G. vom 3.8.2006 sowie noch einmal in einer persönlichen Vorsprache am 8.8.2006 kurz vor 9.00 Uhr mitgeteilt worden, dass er mit seiner tschechischen Fahrerlaubnis im Inland nicht fahren dürfe, auch keine fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeuge der Führerscheinklasse L.
Der Angeklagte fuhr am 8.8.2006 kurz nach 9.00 Uhr mit einem Radlader auf öffentlichen Straßen, obwohl er die erforderliche Fahrerlaubnis nicht hatte. Er wurde deshalb zur Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30 EUR verurteilt, die tschechische Fahrerlaubnis des Angeklagten wurde entzogen und der Führerschein eingezogen. Ferner ist die Verwaltungsbehörde angewiesen worden, dem Angeklagten vor Ablauf von acht Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen; von der Sperrfrist ausgenommen wurden Fahrzeuge der Führerscheinklasse L.
Mit seiner gegen dieses Urteil eingelegten Sprungrevision rügt der Angeklagte die Verletzung des materiellen Rechts. Er bringt vornehmlich vor, von der Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis seien Fahrzeuge der Führerscheinklasse L ausgenommen gewesen, so dass er aufgrund der ihm erteilten tschechischen Fahrerlaubnis der Klasse B jedenfalls Kraftfahrzeuge der Klasse L habe führen dürfen. Darüber hinaus beruft sich der Angeklagte auf einen Verbotsirrtum.
Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
(...)
1.
Der Senat hat in der Vergangenheit die Auffassung vertreten, dass der Inhaber einer in einem anderen Mitgliedsstaat der EU erworbenen Fahrerlaubnis, gegen den im Inland eine Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis verhängt worden war und der erst nach Ablauf dieser Sperrfrist im Inland fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge führt, sich auch dann nicht wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafbar macht, wenn die EU-Fahrerlaubnis noch während der Sperrfrist erteilt worden war (vgl. Senatsurteil vom 29.1.2007 - 4St RR 222/06 -, veröffentlicht u.a. NJW 2007, 1152; ebenso OLG Nürnberg NStZ-RR 2007, 269; OLG Jena DAR 2007, 404; OLG Bamberg NStZ-RR 2008, 77; a.M. OLG Stuttgart NStZ-RR 2007, 271).
Demgegenüber hat der Europäische Gerichtshof in einem Vorab-Entscheidungs-ersuchen des Amtsgerichts Landau a.d. Isar mit Beschluss vom 3.7.2008 -C-225/07- entschieden, dass die Art. 1 Abs. 2 und 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439 EWG des Rates vom 29.7.1991 über den Führerschein in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.9.2003 geänderten Fassung dahin auszulegen sind, dass sie es einem Mitgliedsstaat nicht verwehren, es abzulehnen, die Gültigkeit eines von einem anderen Mitgliedsstaat ausgestellten Führerscheins anzuerkennen, wenn sein Inhaber im ersten Mitgliedsstaat zum Zeitpunkt dieser Ausstellung einer Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis unterlag. Der Umstand, dass sich die Frage der Gültigkeit erst nach dem Ablauf dieser Sperrfrist stellt, soll nach der Meinung des Europäischen Gerichtshofs hierauf keinen Einfluss haben (vgl. NJW 2009, 207).
Der Senat hält deshalb an seiner eingangs zitierten Rechtsprechung nicht mehr fest; diese war darauf zurückzuführen, dass der Senat aufgrund der europarechtlichen Vorgaben der Meinung war, "europarechtsfreundlich" entscheiden zu müssen. Dieser Gesichtspunkt ist durch die vorstehend zitierte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 3.7.2008 entfallen. Dies hat zur Folge, dass der Angeklagte vorliegend nicht berechtigt war, aufgrund der ihm am 23.6.2006 erteilten tschechischen Fahrerlaubnis der Klasse B Kraftfahrzeuge in der Bunde...