Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorschusszahlung der Kindeseltern keine Voraussetzung für Einholung eines Sachverständigengutachtens in Kindschaftssachen

 

Leitsatz (amtlich)

Die im Rahmen amtswegiger Ermittlung in Kindschaftssachen gebotene Einholung eines Sachverständigengutachtens darf nicht von der Zahlung entsprechender Vorschusszahlungen durch die Kindeseltern abhängig gemacht werden.

Eine die Beschwerde nach § 58 Abs. 1 Satz 1 FamGKG ausschließende gesetzliche Grundlage außerhalb des FamGKG hat das Abhängigmachen der gerichtlichen Tätigkeit von einer Vorschusszahlung allein dann, wenn eine solche Grundlage in dem Beschluss ausdrücklich angegeben oder ihm zumindest ohne jeden Zweifel positiv zu entnehmen ist.

 

Normenkette

FamGKG § 58 Abs. 1 S. 1, § 16 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

AG Hannover (Beschluss vom 13.01.2012; Aktenzeichen 604 F 5328/11)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Hannover vom 9.12.2011 in der Fassung des Beschlusses vom 13.1.2012 dahin geändert, dass Ziff. IV des Beschlusses ersatzlos entfällt.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§§ 58 Abs. 1 Satz 2, 57 Abs. 8 FamGKG).

 

Gründe

I. Die weiteren Beteiligten zu 1. und 2. sind die nicht miteinander verheirateten Eltern der betroffenen P. L. M. S.. P. lebt im Haushalt der Kindesmutter; die elterliche Sorge wird bislang durch die Kindeseltern gemeinsam ausgeübt. Über die Umgangskontakte zwischen P. und dem Kindesvater ist es in der Vergangenheit zu erheblichen Auseinandersetzungen gekommen. Der Kindesvater hatte vor diesem Hintergrund bereits Antrag auf vorläufige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes im Wege einstweiliger Anordnung gestellt, der zwischenzeitlich allerdings nicht weiterverfolgt wird.

Im vorliegenden, am 10.11.2011 von der Kindesmutter eingeleiteten Verfahren erstrebt diese ihrerseits unter Berufung auf erhebliche und schwere Spannungen zwischen den Kindeseltern die Übertragung der elterlichen Sorge, hilfsweise des Aufenthaltsbestimmungsrechtes für P. allein auf sich. Der Kindesvater tritt dem entgegen. Keiner der Beteiligten hat für das Verfahren um Verfahrenskostenhilfe (VKH) nachgesucht.

Das AG hat für P. einen Verfahrensbeistand bestellt, das örtliche Jugendamt beteiligt und einen ersten Anhörungstermin durchgeführt; mit Beschluss vom 28.11.2011 hat es einen parallel gestellten Antrag der Kindesmutter auf vorläufige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes im Wege einstweiliger Anordnung zurückgewiesen.

Unter dem 9.12.2011 hat das AG sodann einen weiteren Beschluss erlassen. Danach soll eine Beweiserhebung zu mehreren differenzierten Fragen bezüglich der Möglichkeit einer weiteren gemeinsamen Ausübung der elterlichen Sorge bzw. der individuellen Eignung der beiden Elternteile zu deren alleiniger Ausübung erfolgen (Ziff. I) und zwar durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens (Ziff. II) der Diplom-Pädagogin Dr. D. F.-N. (Ziff. III). Schließlich wird in Ziff. IV die Beauftragung der Sachverständigen davon abhängig gemacht, dass die Kindesmutter binnen drei Wochen einen Kostenvorschuss i.H.v. 2.500 EUR einzahlt.

Auf Antrag der Kindesmutter hat das AG mit Beschluss vom 13.1.2012 Ziff. IV des Beschlusses vom 9.12.2011 dahin geändert, dass der zur Voraussetzung der Beauftragung der Sachverständigen gemachte Kostenvorschuss - nunmehr binnen zweier Wochen - hälftig durch beide Elternteile einzuzahlen ist. Eine Kostenrechnung ist insoweit bislang noch nicht erfolgt.

Die Kindesmutter hat am 1.2.2012 ihrerseits 1.250 EUR Vorschuss eingezahlt. Der Kindesvater wendet sich demgegenüber mit seiner am 6.2.2012 eingelegten Beschwerde gegen die "anteilige Auferlegung des Auslagenvorschusses ... für die Beauftragung der Sachverständigen". Er erklärt zugleich, Zahlungen nicht leisten zu werden - er könne "mit der Konsequenz zu Ziff. IV des Beweisbeschlusses, dass dann die Sachverständige nicht beauftragt wird, gut leben". Die Kindesmutter tritt der Beschwerde entgegen und verweist auf den Amtsermittlungsgrundsatz.

Das AG hat mit Beschluss vom 5.3.2012 der Beschwerde, die es für unzulässig hält, nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt.

Der gem. §§ 58 Abs. 1 Satz 2, 57 Abs. 5 Satz 1 FamGKG originär berufene Einzelrichter hat das Verfahren gem. § 57 Abs. 5 Satz 2 FamGKG zur Entscheidung auf den Senat übertragen.

II.1. Die Beschwerde des Kindesvaters ist - entgegen der Annahme des AG - zulässig.

Gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 FamGKG ist die Beschwerde stets statthaft "gegen einen Beschluss, durch den die Tätigkeit des Familiengerichts nur aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird".

a. Das AG hat in Ziff. IV seines Beschlusses vom 9.12.2011 in der Fassung des Beschlusses vom 13.1.2012 die Beauftragung der Sachverständigen und damit eine Tätigkeit des Familiengerichts ausdrücklich von der vorherigen Einzahlung eines Kostenvorschusses durch die Kindeseltern abhängig gemacht.

b. Es hat dabei all...

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